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Endzeitliche Spekulationen aus dem Band „Smaragd“ (16. Jh.)

Über die 310 Blätter dieser Handschrift sind fünf farbige Miniaturen verteilt. Auf fol. 310 endet das Werk. Die drei letzten Seiten waren ursprünglich frei von Text und Bild. Ein unbekannter Leser hat auf diesen Seiten seine endzeitlichen Spekulationen zusammen mit drei Skizzen verewigt. Eine graphologische Beurteilung ergab, dass es sich dabei zwar um eine andere als die erste Handschrift handelt, die jedoch aus der gleichen Zeit stammt. Möglicherweise sind es Notizen des ersten Besitzers, der diese Ausgabe von „Izmaragd“ in Auftrag gab. Der „Izmaragd“ (russisch: Измарагд, aus dem Altgriechischen: σμάραγδος, romanisiert: smáragdos, wörtlich „Smaragd“) ist ein altostslawisches moralisches Sammelwerk, das in einer Serie von Manuskriptkopien erhalten ist. In Kodexform verfasst, stammt die früheste schriftliche Abschrift aus dem 14. Jahrhundert. Je nach Version enthält es 90 bis 250 Artikel, meist aus dem Griechischen übersetzt und an die Kultur und den Kontext von Russland angepasst. Die in der Arbeit abgedeckten Themen sind vielfältig: Bücherverehrung, christliche Tugenden, Sünden, gute und weniger gute Ehefrauen, Erziehung der Kinder sowie Haushaltsführung. Der „Izmaragd“ war in der russisch-orthodoxen Kirche bis Ende des 17. Jahrhunderts weit verbreitet, in einigen altgläubigen Gemeinden noch bis in das 20. Jahrhundert.
Endzeitliche Spekulationen, Zeitberechungen und Tempelforschungen, die man in dem Werk ebenfalls finden kann, waren eine Leidenschaft in religiösen Kreisen vor allem des 16. und 17. Jahrhunderts, etwa bei Matthias Gerung (1546), bei Samuel Purchas (1625),bei Athanasius Kircher (1665), uva.
Bei diesem Beispiel, bei dem der künstlerische Gehalt keine Rolle spielt, hat der unbekannte Spekulant seine Ideen in zwei Handzeichnungen realisiert, die auf fol. 309 übereinander gesetzt sind. Sie zeigen ein Himmlisches Jerusalem als doppeltes Quadrat, umgeben von sieben menschlichen Halbfiguren, die die Ältesten oder Apostel repräsentieren. Auch die Edelsteine sind namentlich handschriftlich um die Stadt verzeichnet. Bei der zweiten Illustration fehlen unten die Beschriftung wie die Halbfiguren, sie ist vermutlich unvollständig. Vorhanden sind jedoch die zwölf Tore, die als einfache Markierungen den Schutzkreis durchbrechen, der das eigentliche doppelte Quadrat (wir kennen es von der Skizze zuvor) der Stadt umschließt. Hier ist die Stadtmitte mit einem Kreis besetzt, von dem Strahlen, Wege oder noch etwas ganz anderes in die verschiedenen Richtungen ausströmt.
Die eigenwillige Handzeichnung in diesem Band ist heute Teil der Teil der Sammlung handgeschriebener Bücher von E. E. Egorova in der Russischen Staatsbibliothek zu Moskau, dort Signatur F.98 Nr. 805.

V. A. Âkovlev: K literaturnoj istorìi drevne-russkih sbornikov. Opyt isslědovanìâ Izmaragda, Odessa 1893.
Marina Čistâkova: O perevodah Izmaragda na rus’ku movu, in: Poznańskie Studia Slawistyczne, 14, 2018, S. 21-35.

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tags: Smaragd, Russland, Endzeitspekulation, Tempelforschung, Russische Staatsbibliothek zu Moskau
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