In der Frühen Neuzeit wurde auf russischen und ukrainischen Ikonen das Himmlische Jerusalem immer öfter und vor allem immer detaillierter in Form von aneinander oder übereinander gesetzten Arkaden dargestellt. Im Rokoko, der in Russland einige Jahrzehnte später als in Westeuropa aufkam, wurde das Arkandenjerusalem zu einer manieristischen Pagodenanlage, mit verspielten Türmchen und weiteren Zierelementen. Das beste Beispiel ist in Russland um 1780 entstanden; durch Aufnahme in eine Kunstauktion wurde es um 2016 erst der internationalen Ikonenforschung bekannt. Es handelt sich um eine Weltgerichtsdarstellung mit seinen traditionellen Bildelementen, daher findet man das Himmlische Jerusalem links oben auf gleicher Höhe wie Christus als Weltenrichter auf einem Thron (hier rechts zu sehen). Von links unten tragen Engel weitere menschliche Seelen in die Stadt (Typus Fahrstuhlikone). Die Stadt schwebt zwar noch auf weißen und geröteten Wolken, es ist aber kein trennendes Wolkenband mehr, das die Stadt vom Rest der Ikone regelrecht abschneidet. Alles ist locker, warmtönig und heiter. Christus (mit einem orthodoxen Kreuz) begrüßt Maria im mittleren Eingangstor. Dieser Bereich wurde auf früheren Ikonen oft in einer ovalen Form dargestellt, was hier nicht länger der Fall ist, die Personen sind dadurch mehr mit ihrer Umgebung verbunden. Das trifft auch auf die zahlreichen Heiligen in den Arkaden zu, die nicht länger in Dreiergruppen zusammen gefasst sind, sondern schon größere Versammlungen sind. Jeder der Heiligen trägt ein prächtiges Priestergewand, als würden alle Bewohner Jerusalems Geistliche sein. Hingewiesen werden soll noch auf die verspielte Dachzone mit vergoldeten Segmentgiebeln und zwischengelagerten Obelisken, die auf außergewöhnlich dünnen, filigranen Pfeilern stehen.
Das Kunstwerk auf Basis von Eitempera auf Kreidegrund hat eine partielle Vergoldung. Die Größe beträgt 156 x 125 Zentimeter, der Ausschnitt mit dem Himmlischen Jerusalem immerhin noch 50 x 35 Zentimeter, womit diese seltene Weltgerichtsikone zu den größeren Arbeiten gehört, die sich nur wohlhabendere Gemeinden oder finanzstärkere Klöster leisten konnten. Gerne wüsste man mehr über Einzelheiten oder Verbleib dieser osteuropäischen Pretiose, die sich jetzt, wie viele Ikonen, in einer Privatsammlung befindet.
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