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Peter von Poitiers: „Compendium historiae“ (1450-1500)

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde eine reichlich bebilderte Ausgabe des „Compendium historiae in genealogica Christi“ angefertigt. Verfasst hatte sie Peter von Poitiers (gest. 1205), der französische Gelehrte Petrus Pictaviensis aus Paris, gut dreihundert Jahre zuvor. Es handelt sich bei dem Werk auch um den Versuch, das Wissen der Zeit in einer Art Lexikon oder Enzyklopädie zusammenzufassen, freilich mit einem Fokus auf Religion und Theologie. Zugleich vermittelt das Werk einen umfassenden Überblick über die gesamte biblische Geschichte in Gestalt einer diagrammatisch-genealogischen Synopse. Tatsächlich ist es inzwischen die Wikipedia, die hier am besten erklärt, um was es sich eigentlich handelt: „Die Leitlinie der Geschichte bildet die Generationenfolge Christi nach den Evangelien unter Bereicherung durch Informationen aus den Genealogien des Alten Testaments. Ihr parallel laufend sind Amtsgenealogien wie die Linien der Priester, Richter und aller in der Bibel erwähnten Herrschergeschlechter angeordnet. Damit werden Synchronizität und Diachronizität von Personen und Ereignissen aus dem biblischen Bericht für den Betrachter simultan erschlossen“.

In so einem Kompendium darf das Himmlische Jerusalem selbstverständlich nicht fehlen. Fol. 27v zeigt ein Jerusalem zwischen himmlischer und irdischer Gestalt aus der Feder eines unbekannten Illustrators aus London, vermutlich aus der Abtei Sheen. Es handelt sich um eine Grisaille mit roter Schrift. In konzentrischen Kreisen legen sich insgesamt zwölf offene Stadttore um eine freie Stadtmitte. Die Tore des ersten, äußeren Kreises sind halboffen, die des zweiten Kreises geschlossen und die des dritten, inneren Kreises sind ganz geöffnet. Alle Tore sind mit lateinischsprachigen Schriftbändern genau bezeichnet. Zwischen ihnen finden sich Mauerwerk und sechs zeittypische spätmittelalterliche Türme. Das Werk wird seit dem Jahr 1757 in der British Library in London aufbewahrt, unter der Signatur Royal 1 B X.

Michael W. Evans: Medieval drawings, London 1969.
Kathleen L. Scott: Tradition and innovation in later medieval English manuscripts, London 2007.
Andrea Worm: ‚Ista est Jerusalem‘. Intertextuality and visual exegesis in Peter of Poitiers’ Compendium historiae in genealogia Christi and Werner Rolevinck’s Fasciculus temporum, in: Proceedings of the British Academy, 37, 123, 2012, S. 123-161.

 

tags: British Library London, Kompendium, Grisaille, Kreise, Spätmittelalter
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