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Erbachsche Tafeln (um 1332/34)

Die Staatsgalerie Stuttgart besitzt zwei Tafeln aus Pappelholz, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden sind (Inv. 3100). Angeblich soll der Schwager Goethes, Johann Georg Schlosser, beide Tafeln aus Italien mitgebracht haben. Wahrscheinlich sind die Werke am Hof von Neapel im Umkreis des Königs Roberto (Robert von Anjou, gest. 1343) entstanden, der dort ab 1309 regierte. Die Werke werden als „Erbachsche Tafeln“ (früher „Erbach’sche Tafeln“) bezeichnet, da sie sich seit 1905 im Besitz von Adalbert Graf zu Erbach-Fürstenau (1862-1944) befanden, von dessen Nachfahren sie 1970 die Staatsgalerie erwarb.
Auf keinem anderen heute bekannten Werk des Trecento ist die Apokalypse in einer solchen Vielfalt der Motive, zudem auf eng begrenztem Raum, derart anspruchsvoll und detailliert dargestellt worden. Vor einer tiefblauen Lapislazulischicht (teures Ultramarin) heben sich, wie bei einer Bilderbibel, etwa 50 (nach anderer Zählung 44) einzelne Szenen aus der Apokalypse zeichenhaft ab, in „modo di miniatura“, wobei teilweise auch Gold und Silber aufgetragen wurde. Dadurch gewinnt die Darstellung etwas Transzendentes und lässt die Bildelemente wie Lichterscheinungen hervortreten.
Auf der obigen Tafel werden, auf einer grünen Wiese, die Toten von drei Trompetern zum Jüngsten Gericht geweckt. Links davon ist der letzte Angriff des heidnischen Heers unter Gog und Magog sowie die Stadt Babel zu sehen. Dieser Bildteil wurde in seiner Komposition später von der Hamilton Bibel (um 1350/60) kopiert. Rechts, auf der gegenüberliegenden Seite, ist das Neue Jerusalem zu entdecken. Nur dieses eine Bild der gesamten Serie ist überwiegend aus Gold gearbeitet, um das Überirdische der Himmelsstadt zu betonen. Darunter befindet sich eine Darstellung des Höllenfeuers, vor dem ein Drache die Gequälten ins Verderben zurückstößt. 

Die Himmelspforte ist auf der anderen, ersten Tafel als kleines Detail am oberen Abschluss mittig zu finden. Hier öffnen sich zwei Flügel und machen einem Engel Platz, der mit der Posaune das Jüngste Gericht einläutet. Sterne deuten an, dass es sich nicht um eine Pforte in ein Wohnhaus, sondern um eine Himmelspforte handelt.

Annegret Schmitt: Die Apokalypse des Robert von Anjou, in: Pantheon, 28, 1970, S. 475-503.
Annegret Schmitt, Bernhard Degenhard: Sanudo und Paolino, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte, 14, 1973, S. 1-137.
Liana Castelfranchi: Le ‚storie apocalittiche’ di Stoccarda e quelle di Giusto da Padova, in: Prospettiva, 33-36, 1983/84, S. 33-44.
Meister der Erbach’schen Tafeln, in: Frühe italienische Tafelmalerei, Stuttgart 1999, S. 123-136.
Theopisti Tiftikoglou: Die Erbach’schen Tafeln und die zyklische Darstellung der Apokalypse im Mittelalter, Stuttgart 2016.

 

tags: Tafelmalerei, Staatsgalerie Stuttgart, Neapel, Gold, Hölle, Trecento
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