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MS Français 375: Apokalypsekommentar (um 1290)

Wasserschäden haben diesen Miniaturen schwer zugesetzt. Auch auf dem Original kann man vor allem den unteren Teil der beiden Miniaturen von fol. 16v kaum mehr erkennen. Sowohl auf der linken wie auf der rechten Spalte wird Johannes von einem Engel das Himmlische Jerusalem gezeigt, einmal als gebaute Architektur in Form einer Kirche, die von einem Wolkenkranz umzogen ist. Der Bau besteht aus zwei unterschiedlichen Türmen und Mauern, die sich im unteren Bereich kreuzen. Eine solche extreme Verschachtelung, die fast in abstrakte Formen überführt, lässt sich zuvor in der Abingdon-Apokalypse feststellen und soll das Niederschweben der Stadt verdeutlichen.

Die andere Miniatur auf der gleichen Seite zeigt die Stadt einmal als systematischen Aufriss im Schachbrettmuster. So entsteht ein rechteckiger Klotz, der auf einem Felsen thront. Er ist aus zwölf quadratischen Feldern, die einheitlich rosa eingefärbt wurden, zusammengesetzt. Üblicherweise sind in die Felder Köpfe von Heiligen eingesetzt. Lässt man sie weg, hat auch diese Stadtdarstellung einen hohen Abstraktionsgrad, nur noch zu vergleichen mit der entsprechenden Zeichnung aus der Burckhardt-Wildt-Apokalypse.
Auch hier erscheinen wieder Johannes und der Engel, der ihm liebevoll ermutigend auf die Schulter klopft oder an die Schulter fasst.
Im Gegensatz zum vorherrschenden Farbgeschmack um 1290 erscheinen diese Miniaturen in einem hellen Grün mit einer dunkelgrünen Rahmung. Die Handschrift MS Français 375 (einst 6987) aus der Französischen Nationalbibliothek in Paris wurde von drei Kopisten gemeinsam bearbeitet. Es handelt sich um einen Apokalypsekommentar, hergestellt in Frankreich. Dies belegt, dass gegen Ende des 13. Jahrhundert nicht alle Apokalypsehandschriften in England entstanden, sondern einige auch in Frankreich, ohne freilich die Qualität der englischen Arbeiten auch nur annähernd zu erreichen.

Hilding Kjellman: La deuxième collection anglo-normande des miracles de la Sainte Vierge et son original latin avec les miracles correspondants des mss. fr. 375 et 818 de la Bibliothèque Nationale, Paris 1922.
Reuben Y. Ellison: The miracle de la soucretaine, o.O. 1932.
Leger Brosnahan: A collation of Wace’s la Geste des Normanz, in: Journal Manuscripta, 16, 2, 1972, S. 83-97.

 

tags: Wasserschaden, Grün, BnF, Frankreich, Gotik, Mittelalter
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