Der Franziskanerorden hatte im 18. Jahrhundert eine besondere Vorliebe für Allegorien jeglicher Art. Vor allem in Neuspanien dokumentieren großformatige Ölmalereien diese monastische Leidenschaft. Entworfen haben diese Arbeiten Theologen des Ordens, ausführen durften sie einfache Mönche, deren Namen und Schicksale wir nicht kennen. Eine dieser Arbeiten befindet sich im römisch-katholischen Kloster San Francisco in der bolivianischen Stadt Cochabamba. Um eine Marienerscheinung gruppieren sich vier Tiere, die die vier Evangelisten repräsentieren. Sie alle halten kleine ovale Medaillons mit jeweils einem Mariensymbol, welches wie ein Wappen präsentiert wird. Die Idee des Himmlischen Jerusalem in einem Wappen findet sich in der römisch-katholischen Welt durchaus, aber alle bislang bekannten Beispiele sind meist jünger, wie das Prozessionsschild der Skapulier-Bruderschaft, das Wappen der Stadt Aracena (19. Jh.) oder das Wappen des Bischofs Carlo Roberto Maria Redaelli (2012). Fast immer ist dort allerdings die Porta Coeli dargestellt, nicht, wie hier, die Civitas Dei. Ausnahme ist allein die Malerei „Virgen de Vallicella“ aus Puebla, 17. Jh.
Der Löwe, welcher für den Evangelisten Lukas steht, befindet sich auf der rechten Seite unten. Er hat anthropomorphe Gesichtszüge und hält mit beiden Pranken die Darstellung der Civitas Dei. Die Stadt ist relativ klein gehalten, sie besteht aus vor- und rückspringenden Wandpartien einer Stadtmauer. Über dieser schraubt sich verjüngend ein schmaler Turm nach oben. Die Zeichnung ist in hellen Pastelltönen aufgetragen und zurückhaltende koloriert; etwa hat die Wiese vor der Stadt einen hellen Grünton. Die Stadt ist in das gleiche Graublau getaucht, das auch die Wolken im Hintergrund des Medaillons haben, so dass man das kleine Detail aus mehreren Metern Entfernung kaum mehr sehen kann.
Pedro Querejazu: Restauración del retablo mayor y del púlpito de la Iglesia de San Fransisco Cochabamba, La Paz 2000.
Héctor Schenone: Iconografía del arte colonial. Santa María, Buenos Aires 2008.