Claes Jansz Visscher (1587-1652): „Theatrum Biblicum“ (1643) und Folgeauflage (1674)
1643 erschien bei dem Amsterdamer Verleger Nikolaus Johannes Piscator (i.e. Claes Jansz Visscher der Jüngere, 1587-1652) eine umfassend illustrierte Ausgabe von „Theatrum Biblicum“. Visscher gilt als Begründer einer niederländischen Kunsthändler-, Kupferstecher- und Verleger-Dynastie. Sein biblisches Hauptwerk „Theatrum Biblicum“ stattete Visscher opulent mit zahlreichen Kupferstichen aus, die er sich vor allem aus älteren Werken zusammensuchte.
Das Himmlische Jerusalem findet sich bereits auf der Eröffnungsseite, die von zwei Putti gehalten ist. Die Stadtdarstellung ist bereits an dem berühmten Kupferstich „Vitam Aeternam“ von ca. 1570 orientiert, einer Gemeinschaftsarbeit von John Baptista Vrints und Marten de Vos. Hier werden die Tore mit Dreiecksgiebel gezeigt, wie sie Johan (Johannes) Sadeler I gestaltete.
Es folgt eine kleine Vignette (Nr. 24), die jetzt auch Johannes auf Patmos und den Engel mit dem Maßstab ins Spiel bringt. Sie sieht aus wie von einer Bibelausgabe aus dem späten 16. Jahrhundert entliehen, jedenfalls kennen wir weder den Entwerfer noch den Kupferstecher. Die Stadt wird von vier Wegen durchzogen, die ein Kreuz ergeben – ähnlich zeigt es ein Fresko von Yelepenkov Joachim Ageev. Da das Fresko älter als „Theatrum Biblicum“ ist, muss es eine gemeinsame Vorlage gegeben haben.
Auf Seite 104 präsentiert Nikolaus Johannes Piscator das Himmlische Jerusalem John Baptista Vrints/Marten de Vos, diesmal ist es die bereits erwähnte Arbeit „Vitam Aeternam“ in der Urfassung. Nikolaus Johannes Piscator hat damit vor allem für eine weitere Verbreitung dieses Stichs bis nach Russland, Spanien und Neuspanien gesorgt.
Es folgt auf Seite 188 noch eine weitere Kopie aus „Vitam Aeternam“, diesmal die vertikale Fassung nach Adriaen Collaert (1560-1618). Hier kam es zu minimalen Änderungen: Die Gottvaterfigur wurde gestrichen. An seiner Stelle ist lediglich sein Name in hebräischen Buchstaben eingefügt.
Eigentlich bietet Piscator mit diesen vier Kupferstichen keine wirkliche Auswahl dessen, was Mitte des 17. Jahrhunderts aktuell und innovativ war, sondern er bedient Tradition und Gewohnheiten, bzw. eigentlich auch nur eine einzige Traditionslinie. Warum er so angetan war von „Vitam Aeternam“ müsste noch näher untersucht werden, ebenso wie die Frage, in welchem Verhältnis diese vier Jerusalems-Bilder zu den anderen Motiven aus „Theatrum Biblicum“ stehen.
Tony Campbell: Claes Jansz Visscher. A hundred maps described, London 1968.
Friedrich Wilhelm Heinrich Hollstein: Claes Jansz Visscher to Claes Claesz Visscher (Nicolaes Visscher, 2), Amsterdam 1991 (Dutch and Flemish etchings, engravings and woodcuts: ca. 1450-1700, 38).
Vor allem wegen seiner opulenten Ausstattung war der Prachtband „Theatrum Biblicum“ (Erstauflage 1643) ein großer Erfolg, er wurde im 17. Jahrhundert mehrfach aufgelegt. In der Ausgabe von 1674 (S. 206) kam es bezüglich des Neuen Jerusalem durch einen unbekannten Künstler zu kompositorischen Veränderungen. Die Stadtansicht ist mit dem Eröffnungsblatt der Erstausgabe fast identisch, doch nun wurden der Engel und Johannes direkt neben die Stadt gesetzt, vor die zusätzlich eine Taufszene eingebaut ist. Diese Taufszene wurde übrigens der Ausgabe „The New Testament“ (1653) entnommen. Lange glaubte man, der Stich sei ansonsten identisch mit der Urfassung. Ein genauer Vergleich zeigt jedoch minimale Unterschiede: So sind in der älteren Fassung die Perlen über den Toren hell, jetzt dunkel. Die Häuser der ersten Fassung haben mehr Profilierungen und Gesimse. Ein klarer Beweis, dass wir es mit einem neuen Stich zu tun haben, ist das Lamm: In der Urfassung blickt es nach links, in der Neufassung wurde es um 180 Grad gedreht.
Historiae Sacrae Novi Testamenti, (Amsterdam), 1674.