Armenbibel Codex Palatinus Latinus 871 (um 1425)

Der Codex Palatinus latinus 871 ist eine Bilderhandschrift im Besitz der Biblioteca Apostolica Vaticana. Das Werk ist auch eine frühe Biblia Pauperum, eine Armenbibel, obwohl sich auch Arme im Mittelalter eine solche Bibel keineswegs leisten konnten. Der Begriff ist unglücklich gewählt, eigentlich müssten sie Reichenbibeln heißen: Da sie wenig Text und viele Bilder besaßen, waren sie auch besonders teuer und gerade für Arme unerschwinglich. Dass sie in ihrer Qualität anderen Nicht-Armenbibeln keineswegs zurückstanden, belegt auch Codex Palatinus Latinus 871. Dieser war im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden, sicher in Mitteldeutschland, diskutiert werden das westliche Thüringen, das nordöstliche Hessen oder auch Bamberg. Aufbewahrt wird der Codex Palatinus Latinus 871 in der Bibliothek des Vatikans.

Ungewöhnlich ist auf fol. 20r bereits die zitronenartige Mandorla, in der Christus auf einem doppeltem Regenbogen thront. Neben Maria und Johannes wird hier auch die Auferstehung der Toten gezeigt, die ansonsten eigentlich immer weiter unten zu finden ist, hier aber eine eigenen obere Zone bildet. Das Himmlische Jerusalem (links) und die Hölle (rechts) sind in die tiefere Etage gerutscht. Die Hölle zeigt sich mit einem Drachenmaul, eine damals wegweisende Darstellung, wie später im Stundenbuch des Meisters des Otto van Moerdrecht, dem Gebetbuch MS Germ. Oct. 270 oder dem Pembroke-Stundenbuch, alle aus dem 15. Jahrhundert. Das Neue Jerusalem präsentiert sich hingegen traditionell in Form einer mittelalterlichen Kirche mit einer offenen Pforte, so dass man das Beschlagwerk eines Türflügels gut sehen kann. Petrus (mit Heiligenschein) lässt verschiedene Vertreter der Stände (ohne Heiligenschein) herein. Wie meist drängt sich hier der Papst unbescheiden an die erste Stelle, es folgen weitere Klerikale. Der einzige Bauer, der anhand der Mütze und der mitgebrachten Ähren sicher identifiziert werden kann, wird bereits von einem Teufel angegangen, der ihn auf die andere Seite ziehen will.

Franz Joseph Schwarz: Die göttliche Offenbarung von Jesus Christus nach der sogenannten Armenbibel, Freiburg im Breisgau 1884.
Die Biblia pauperum im Codex Palatinus Latinus 871, Zürich 1982.
Christoph Wetzel (Hrsg.): Biblia pauperum. Die Bilderhandschrift des Codex Palatinus Latinus 871 im Besitz der Biblioteca Apostolica Vaticana = Armenbibel, Stuttgart 1995.

 

tags: Vatikanische Bibliothek, Drachenmaul, Armenbibel, Mitteldeutschland
Share:
error: