Wolf-Dieter Kohler (1928-1985): evangelische Philipp-Matthäus-Hahn-Kirche in Onstmettingen (1967)
Die Philipp-Matthäus-Hahn-Kirche in Onstmettingen (Albstadt, Schwäbische Alb) war die langjährige Wirkungsstätte von Philipp Matthäus Hahn (1739-1790). Dieser war Pfarrer und auch Ingenieur. Als solcher hat er zahlreiche Erfindungen getätigt, an erster Stelle die Neigungswaage. Hahn, heute vergessen, galt vergangenen Generationen als der idealer pietistischer Hausvater, fleißig wie fromm zugleich.
Die heutige Kirche wurde 1887-1888 im neoromanischen Stil erbaut, also fast einhundert Jahre nach Hahns Tod – von dem Vorgängerbau hat sich lediglich das romanische Untergeschoss des Kirchenturms erhalten. Der ursprüngliche Innenraum überlebte völlig unbeschadet den Zweiten Weltkrieg, nicht aber die Purifizierungswelle der 1960er Jahre, die über ganz Württemberg rollte und konsequent das vernichtete, was der Krieg noch hatte stehen lassen: 1967 wurden hier die geschnitzten Holzemporen herausgerissen. Der Altar und die Kanzel landeten auf dem Müll. Die Bänke und sogar der Dielenboden wurden ausgebrochen, statt Holz wünschte man jetzt Beton. Die seelischen Verletzungen und die Entfremdung von der Kirche, die damit einherging, ist schwerer einzuschätzen, wirkte vielleicht tiefer als die Baumaßnahmen, die ja zum Teil später wieder zurück genommen wurden, wo es möglich war. Zum Gesamtbild muss man sagen, dass die baulichen Veränderungen von einigen wenigen aus dem Oberkirchenrat in Stuttgart aus betrieben wurden. Einer der radikalsten Purifikatoren war damals der Stuttgarter Wolf-Dieter Kohler (1928-1985). Durch ihn sind hunderte von Glasmalereien vernichtet worden, gleichzeitig sind von ihm ebenfalls hunderte neue Malereien geschaffen worden, freilich mit der Konsequenz, dass die Kirchen zwischen Bodensee und Kraichgau auf einmal ähnlich aussehen. Kohlers Hauptmotiv war das Himmlische Jerusalem, das er auch in Onstmettingen durchsetzte, zum Teil gegen erheblichen Widerstand aus der Gemeinde. Ein Argument war damals, dass gerade die alte Einfachverglasung dem bescheidenen Charakters Hahns entsprechen würde, während die neue Verglasung zu Tübingen, Ulm oder Stuttgart passend würde, aber nicht zu Onstmettingen. Zumal hatte man bereits ein Fenster des Vaters der Künstlers (von 1932 im Chorbereich) und meinte in der kurz angebundenen Mundart der manchmal direkten Albbewohner „Eimal Kohler isch gnuch“.
Kohler schuf in nur wenigen Wochen im Herbst 1967 die hochwertige Neuverglasung, die handwerklich und künstlerisch höchsten Ansprüchen genügte und der Kirche ein ganz neues Raumerlebnis schenkte. Alles musste und wurde bis zum 8. März 1970 fertig, als unter Pfarrer K. Schumm die Einweihungsfeier statt fand, bei der auch der Künstler anwesend war. Kurz darauf erst, 1974, bekam der Bau seinen heutigen Namen Philipp-Matthäus-Hahn-Kirche.
Kohler junior hat die apokalyptische Thematik des Chorfensters fortgeschrieben. Für das Schiff hat er acht Rundfenster designet, die von der Glaserei Valentin Saile in Stuttgart hergestellt und in Onstmettingen eingebaut wurden. Das erste Fenster links vor dem Altar zeigt die zwölf Tore, die so ineinander verschoben sind, dass sich Stadtmauern erübrigen und in der Mitte ein geschlossener Raum entsteht. In diesen hat Kohler den Lebensbaum mit seinen zwölf roten Früchten gesetzt. Von ihm ausgehend fließt der Lebensfluss in alle vier Himmelsrichtungen.
Von der Arbeit geht eine starke Suggestivkraft aus, der gereifte Künstler wusste, wie man das erreichten konnte und hat hier seinen Gegenstand zur Perfektion getrieben:
-die tief liegende Fensterlaibung zieht den Blick nach innen,
-die Tore sind fast quadratisch, die goldgelbe Rahmung umschließt die Objekte von allen Seiten (erstmals bei Darstellungen der Tore Kohlers),
-die zusätzliche weiße Rahmung um die jeweiligen Edelsteinfarben schafft Kontrast,
-der Verzicht auf Figuren, selbst auf Christus, lenkt die Konzentration ganz auf die heilige Stadt.
Helene Spangenberg: Unsere Philipp-Matthäus-Hahn-Kirche ist 100 Jahre alt, Onstmettingen, um 1988.
Ulrich Gißler: Die evangelische Kirche in Albstadt Onstmettingen. Philipp-Matthäus-Hahn-Kirche, Onstmettingen 2013.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Wolf-Dieter Kohler, 1928-1985. Leben und Werk, Petersberg 2021.