In der Renaissance wurde der Tempel mitunter zum Himmlischen Jerusalem. Ähnlich wie bei der Himmelspforte stellt dieses Bauwerk, der Tempel, pars pro toto die gesamte Stadt dar. Damit reduzierte sich der gestalterische Aufwand selbstverständlich ganz erheblich, was zwar allein nicht die Tempel-Begeisterung erklärt, aber doch einen wesentlichen Grund liefert. Bekannte Werke des 17. Jahrhunderts, wie das Dreiwegebild von Ludovicus van Leuven (1629) oder Wächters Gedenkmünze (1698), dann auch des 18. Jahrhunderts, wie in „Hermathenæ“ (1740) zeigen, wie populär das Tempelbild wurde. Zwei Merkmale lassen sich feststellen: 1. Es sind immer außerkirchliche Werke, eine Bibelausgabe mit dem Tempel als Neues Jerusalem wird man schwerlich finden, und 2. es sind oftmals prosaische Werke, die sich einer besonderen Freiheit bedienten, auch ikonographischer Art.
Beides trifft auch auf „Faber Fortunae“ zu, den Glücksarbeiter, 1673 erschienen. Betrachten wir das Titelblatt: Im unteren Bereich ziehen die sieben Todsünden vorbei, also Hochmut, Neid, Zorn, Habgier, Trägheit, Völlerei und Wollust – alle lateinisch bezeichnet. Sie umkreisen eine Mann auf einem Wagen, der mit einem Fernrohr nach oben sieht. „Per aspera ad astra“ ist ihm beigeschrieben, was der Verfasser sicherlich nicht ironisch meinte. Der Blick geht nach oben. Ein extrem steiler Weg führt zu einem Tempelbau, dem „Templum Honoris“, dem Ehrentempel. Hier ist es ein sich verjüngender Rundbau mit einer offenen Pforte. Ein gebückter Mensch ist gerade dabei, den rettenden Eingang zu betreten – es ist erneut der Mann auf dem Wagen, das geht aus dem Buchtext hervor. Ganz oben thematisiert noch die Hand Gottes das Thema Ehre, indem diese dem Ankömmling die Märtyrerkrone verleiht.

Das lateinischsprachige Werk ist von dem Juristen Christian Georg Bessel (1636-1688) geschrieben worden, in Hamburg ist es 1673 in den Druck gegangen. Die Auflage war gering, die Rezeption noch geringer. In dem Band handelt es sich bei dem Kupferstich um das Titelbild, geschaffen von einem unbekannten Stecher. Der Band war schon zuvor in deutscher Sprache als „Schmiede Des Politischen Glücks“ erschienen, aber noch ohne diesen Kupferstich. Was der Inhalt des Glücksarbeiters ist, kann kaum gesagt werden, es handelt sich um eine typisch frühbarocke Mischung aus Belehrungen, Geschichtchen, Lebensweisheiten und Betrachtungen, ohne dass auf das Himmlische Jerusalem weiter eingegangen wird.
Christian Georg Bessel: Faber fortunae politicae monitis ad vitam politicam admodum necessariis & saluberrimis, iisque, ad moderna tempora apprime adcommodatis, proverbiis selectis, sententiis acutis, similitudinibus illustribus, exemplis denique, magnificis adornatus, Hamburg 1673.


