Christian Süssenbach und Christoph Kolitschky: Deckenmalerei aus der Friedenskirche zu Schweidnitz (1695/96)

Eine freie Weiterentwicklung der Jerusalemsdarstellung aus der Merianbibel findet sich in der evangelischen Friedenskirche Heilige Dreifaltigkeit. Diese befindet sich im polnischen Schweidnitz (Świdnica), etwa 50 Kilometer südlich von Breslau (Schlesien), in einer ansonsten überwiegend römisch-katholischen Umgebung. Der Name der Kirche, Friedenskirche, mag dazu angeregt haben, das Motiv des Himmlischen Jerusalem auszuwählen, wie es ja eine diesbezügliche Tradition gibt. Im Gegensatz zu katholischen Beispielen war der Rückgriff auf die Merianbibel in Schweidnitz bewusst ein protestantisches Statement, rekurrierend auf Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein.

Bei den Malereien wurde neben anderen apokalyptischen Szenen, wie dem Buch mit den Sieben Siegeln, dem Jüngsten Gericht, oder dem Fall Babylons auch das Himmlische Jerusalem dargestellt, allerdings nicht als isoliertes Ereignis, sondern eingebettet in eine barocke Himmelslandschaft, die vor allem Lebenslust und Sinnenfreude ausstrahlt. Freudestrahlende Putten sitzen bei einem Gastmahl zusammen – eine Anspielung, dass hier das Ewige Abendmahl gefeiert wird. Immer wieder wird man Engel finden, die Gegenstände präsentieren, die erst in einem endzeitlichen Kontext verständlich werden: ein goldener Schlüssel, eine Krone, ein versiegeltes Buch.

Die Deckenmalereien wurden 1695/96 von Christian Süssenbach und Christoph Kolitschky ausgeführt. Sie sind seit 2001 auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO. Es handelt sich, wie erwähnt, um eine etwas freiere Kopie der bald hundertjährigen Vorlage. So wurde die Position des Engels mit dem Maßstab und Johannes getauscht, man findet sie nun auf der linken Seite. Die gesamte Stadt ist hier mit Lichtstrahlen übersät, wobei sich die eigentliche Lichtquelle außerhalb der Malerei befindet. Die Häuser erscheinen nicht mehr ungeordnet, sondern sind auf einmal wieder identisch gehalten und streng in Reihen geordnet, wie es schon einmal im 16. Jahrhundert Mode um 1575 gewesen war (siehe das Emser-Testament, die Prager Bibelausgabe von Limusa oder die Bibeledition von Johann Teufel). Auf eine singuläre Besonderheit muss noch hingewiesen werden. Süssenbach und Kolitschky haben vor die Stadtmauern kristalline Strukturen gesetzt, die man so kaum woanders so finden wird. Vor dem mittigen Haupttor erscheinen sie bläulich: hier handelt es sich um das Wasser des Lebens, welches aus der Stadt strömt. An den Seiten findet man rötliche Strukturen, die wie ein Umhang oder eine Umhüllung der Stadt wirken – es soll auf die Edelsteine des Fundaments hinwiesen werden.

Norbert Bieneck, Waldemar Pytel: Die Friedenskirche zu Schweidnitz, Bonn 1996 (6).
Sobiesław Nowotny: Auf den Spuren des schlesischen Protestantismus – am Beispiel der Friedenskirche in Schweidnitz/Świdnica, in: Schlesische Erinnerungsorte, Görlitz 2005, S. 59-77.
Hans Caspary: Die schlesischen Friedenskirchen in Schweidnitz und Jauer, Potsdam 2009 (2).

 

tags: Friedenskirche, Deckenmalerei, Merianbibel, Schlesien, Kristall
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