
Rudolf Yelin (1902-1991): zentrales Chorfenster der Stadtkirche Leonberg (1964)
Die umfangreiche Neuverglasung des gesamten Chorbereiches der evangelischen Stadtkirche von Leonberg war 1963/64einer der bislang wichtigsten Aufträge und Aufgaben, mit der Rudolf Yelin (1902-1991) Anfang der 1960er Jahre beauftragt wurde. Nach anfänglichen Schwierigkeiten – erst war die Finanzierung des Ausbaus der alten Fenster nicht geklärt, dann musste immer wieder die Arbeit mit Rudolf Valentin Saile (linkes Fenster) und Wolf-Dieter Kohler abgesprochen werden, schließlich erkrankte ein Mitarbeiter Yelins – war 1963 der Entwurf fertig, und erst 1964 kam es zum Einbau und damit Abschluss der Arbeiten. Zugleich war es der Abschluss einer umfassenden Renovierung der gesamten Kirche unter dem Architekten Paul Heim, die quasi einem Neubau gleichkam, bei der zahlreiche Kunstgegenstände vernichtet wurden, auch die historische Verglasung.
Im zentralen Hauptfenster der Neuverglasung hat Yelin mehrere Kreise übereinander gesetzt und in diese sind die traditionellen, aus dem Mittelalter entliehenen Motive dieses Gerichtsfensters gesetzt: die vergehende Welt unten, Engel mit Posaunen, die Totenerweckung, das Erscheinen Christi, weitere musizierende Engel, die Tore der Gottesstadt und das Dreieck mit dem Auge Gottes. Die Einheitlichkeit des Fensters wird hauptsächlich durch blaue und goldgelbe Glasscheiben gewährleistet. Insgesamt elf große Kreise plus einen Halbkreis unten und zwei kleinere Kreise im Maßwerksornament oben strukturieren diese Arbeit, ähnlich wie später das Chorfenster in Trossingen (1973). Angeblich soll Yelin sich dabei an dem sogenannten „Teppichstil“ der gotischen Glasmalerei Frankreichs orientiert haben. Es ist ein eigenartiges Paradox, dass Yelin einerseits historische Sakralkunst der Gotik ablehnte, an ihrer Beseitigung im Zuge der Purifizierungen immer wieder mitarbeitete, dabei aber selbst auf mittelalterliche Motive zurückgriff und die alten Themen lediglich in einem neuen, damals modern empfundenen Gewandt präsentierte.
Die Tore des Leonberger Fensters sind ein weiteres Beispiel dafür, dass deren Zahl für Yelin nicht dogmatisch festgelegt war. Hier sind es vierzehn mit einer roten und auch blauen Füllung, nämlich fünf in der ersten Fensterbahn, sechs in der zweiten und wieder vier in der dritten Bahn. Sie bilden die Schnittmenge zweier Kreise, die nach unten die musizierenden Engel, nach oben die himmlische Sphäre des Maßwerkornaments mit einbinden.
Eugen Stöffler, Horst Keil, Leonberg 1983.
Margot Dongus: Kurzführer zur Stadtkirche Leonberg, o.O., 2014.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Rudolf Yelin d. J., 1902-1991. Leben und Werk, Petersberg 2019.