Thomas Mitis von Limusa (1523-1591): Prager Bibelausgabe (1570)

Die Bildkonzeptionen der Reformation gingen aus den deutschen Landen in die übrige christliche Welt. Für die Popularisierung waren vor allem Humanisten verantwortlich. In Böhmen war dies etwa Thomas Mitis (1523-1591), ein Universalgelehrter, Pädagoge, Dichter und Verleger. Vor allem war er Korrespondent mit zahlreichen Kollegen und sorgte dafür, dass lutherisches wie reformiertes Gedankengut, auch in Form gedruckter Bücher, nach Böhmen gelangte. Seine beiden Hauptprojekte waren die „Catechesis biblicae libri septem carminice“ (1587) und zuvor der Druck einer kompletten Bibelausgabe, die 1570 in vierter Auflage Prag erscheinen konnte. Ihr Titel: „Biblia Veteris et Novi Testamenti“. Die letzte Abbildung auf fol. 636r zeigt das Himmlische Jerusalem.

Wenn wir auch nicht den Namen des Stechers kennen, so wissen wir doch um die Vorlagen dieses Kupferstiches. Die Stadt in Form von Reihenhäusern darzustellen entsprach protestantischer Bildtradition vor allem aus der Mitte und der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Arbeiten von Hans Sebald Beham, von Hans Baldung Grien, Johann und Teufel und sogar noch die Illustrationen aus der Emserbibel waren hier die Vorlage. Vor allem die Schrift „Typi in apocalypsi Ioannis“ von 1539 wird Mitis bekannt gewesen sein. Hier wird Johannes ebenfalls als niederkniend gezeigt, während er auf vielen anderen Illustrationen neben dem Engel steht. Die Stadt ist bei Mitis durch drei markante Fluchtlinien geteilt, an denen sich die Reihenhäuser entlang ziehen. Links ist es ein schmaler Kanal mit kleinen Brücken, in der Mitte ein großer Kanal mit entsprechend größeren Brücken und rechts eine Allee – auch dieses Detail ist bereits bei Beham angelegt. Beham hat der Stadt oben rechts einen Felsen gegenüber gestellt. Dieser Felsen mutiert bei der Prager Ausgabe zu einer kleinen Festung oder Burg, die es nach dem biblischen Wortlaut eigentlich nicht geben dürfte, da 1. die Stadt allein alle Bewohner und Bewohnerinnen aufnimmt, 2. Festungen im Zustand des immerwährenden Friedens obsolet geworden sind. Hingewiesen werden soll noch auf die Stadttore. Sie sind hier angewachsen zu vielgestaltigen Bauten, die in Größe und Pracht die schematischen Häuser im Stadtinneren bei weitem übertreffen. Auf ihren Spitzen stehen Engel, ebenso wie in den Zugangstoren – menschliches Leben sucht man allerdings in diesem Jerusalem vergeblich.
Unten links, einige Zentimeter rechts des mäandernden Pfades nach oben, findet sich ein Buchstabe „T“, in dem ein „F“ eingearbeitet wurde. Man könnte an Johann Teufel denken, welcher jedoch anders signierte. Vielleicht wird es weiterer Forschung unter Fortentwicklung der KI eines Tages gelingen, dieses Monogramm zu entschlüsseln.

Anton Gindely: Böhmen und Mähren im Zeitalter der Reformation, Prag 1968.
Lenka Bydžovská: ‚…a viděl jsem nové nebe a novou zemi…‘. Apokalypsa a umění v českých zemích, Praha 2023.

 

tags: Reformation, Böhmen, Bibelausgabe, Reihenhaus, Ordnungsgedanke
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