Rudolf Yelin (1902-1991): Dionysiuskirche in Bodelshausen (1963)

Rudolf Yelin (1902-1991) arbeitete allein im Jahr 1963 an drei Werken, die alle das Himmlische Jerusalem zum Thema hatte: an der Innenausgestaltung der Kirche in Enzberg, dann an einem Wandfresko an der Außenseite für die Stuttgarter Erlöserkirche und an neuen Buntglasfenstern für die Dionysiuskirche in Bodelshausen – hinzu kamen natürlich noch zahlreiche weiteren Werke mit anderen Motiven, was alles neben Yelins laufender Tätigkeit als Ausbilder, Gutachter und Hochschullehrer zu leisten war und irgendwie auch geleistet wurde. Gerne wüsste man, wie viel Zeit der Meister vor Ort verbrachte, um die örtlichen Gegebenheiten kennen zu lernen und in seine Entwürfe einzubeziehen.

Auch in der Dionysiuskirche findet man im Altarbereich drei doppelbahnige Fenster mit neogotischem Maßwerk – hunderte Kirchen Württembergs sind so ausgestattet. Hier sind es links Motive aus der Passionsgeschichte, dann Szenen aus der Apokalypse (u.a. der Engel mit dem Mühlstein) und rechts das Pfingstereignis. Yelin hat das Neue Jerusalem hier in das obere mittlere Fenster gesetzt. Dort reihen sich zahlreiche Tore, Rundbögen und Arkaden aneinander, deren genaue Zahl nicht deutlich wird, zumal Teile durch das breite Maßwerkornament überdeckt werden. Selbst der Kirchenführer spricht von „Gewirr dieser Strukturen“. Anscheinend wird auch hier die Zahl Zwölf überschritten. Es ist eine eher traditionelle, bescheidene Darstellung Jerusalems, die sich auch farblich nicht von dem sonstigen Blau-Rot des Fensters unterscheidet. Eindrucksvoll sind Yelins Jerusalems-Konzeptionen in Ostelsheim, Schömberg oder Feudenheim. Sicherlich spielte auch in Bodelshausen das Budget eine Rolle, auch kann es sein, dass die Gemeinde genau diese Bescheidenheit und Unauffälligkeit Jerusalems gewünscht hatte. Solches gehört eigentlich zu einer Gesamtbewertung hinzu, ist aber in den allermeisten Fällen nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Auch Gemeindemitglieder, die den Einbau noch erlebt und mitgestaltet haben, konnten dazu keine sichere Auskunft geben.
Ansonsten birgt diese Kirche noch eine kleine Sensation. Die 1960er Jahre waren die Zeit der Purifizierung, d.h., historische Buntglasfenster wurden herausgerissen und durch moderne Arbeiten ersetzt. Einerseits wollte man auch auf dem Land unbedingt „modern“ sein, andererseits hatten die Kirchen damals so viel Geld, das diese Wohlstandsverwahrlosung erklären mag. Auch in Bodelshausen wurde das mittige Altarfenster herausgenommen, ein Fenster im späten Art Deco mit Szenen der Geburt Christi, an denen sich noch nie jemand gestört hatte. In diesem Fall kam es zu Protesten, als sich herausstellte, dass das Fenster von der Malerin Käte Schaller-Härlin (1877-1973) geschaffen worden war, die Tochter eines örtlichen Pfarrers. Dessen Nachfahren waren noch am Leben, und nur aus persönlicher Rücksichtnahme wurde das einstige Altarfenster als Kompromissvorschlag des damaligen Pastors Otto Mayer im rechten Seitenfenster eingebaut. Dies war möglich, da die Maße der Laibungen identisch waren. Eine solche Rettung ist mir aus keiner anderen Kirche dieser Zeit bekannt. Heute ist es eines der ältesten Glasfenster einer Württemberger Kirche geschaffen von einer Künstlerin. Die Translokation wurde von der Firma Valentin Saile durchgeführt, die auch die neuen Fenster hergestellt und eingebaut hat, hier in Kooperation mit S. Gaiser in Stuttgart.

Kurt Lacher: Chronik über 150 Jahre Kirchenbaugeschichte, 1847-1997, o.O., 1997.
Kurt Lacher, Harald Müller-Baur: Der Kirchenneubau vor 150 Jahren, Bodelshausen 1997.
Hans-Joachim Zell: Kirchenführer der evangelischen Dionysiuskirche Bodelhausen, Bodelhausen 2017.

 

tags: Rudolf Yelin, Württemberg, Kunstvernichtung, Purifizierung, Translokation, Schwäbische Alb
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