Rudolf Yelin (1902-1991): Evangelische Martinskirche von Ohmenhausen (1959)

Ohmenhausen ist zwar eine separate Siedlung an einem Berghang, war aber immer mit der Stadt Reutlingen im Tal eng verbunden. Dort war Rudolf Yelin (1902-1991) bereits recht aktiv, erst für die Leonhardskirche (1939), die Katharinenkirche (1950), die Christuskirche (1952), so dass es fast ein Selbstläufer war, dass man ihn das neue Altarfenster in der evangelischen Martinskirche von Ohmenhausen anvertraute. Erstmals zeigte Yelin hier das Himmlische Jerusalem als eine Ansammlung eines Dutzend Tore im oberen Bereich. Die Entwicklung zu dieser Darstellung folgte über mehrere Etappen, zunächst wurde die Stadt in Form des Tempels repräsentiert (Stuttgart-Möhringen, 1949), dann als malerische Sammlung mehrerer Häuser ausgeführt (Friedhofskirche Plochingen, 1951, Petruskirche in Stuttgart-Gablenberg, 1952), schließlich als geometrisch-abstrakte Sammlung von Häusern (Bergkirche Wimberg, 1954, Markuskirche in Althengstett, 1956). Dazwischen liegt noch seine Mitarbeit an der Pauluskirche in Mengen, wo er durch seinen ehemaligen Mitarbeiter Kohler erstmals bei den Toren auf die Zahl Zwölf kam.

In der Martinskirche von Ohmenhausen sind es allerdings dreizehn Tore, die wechselweise mit roter oder blauer Füllung versehen worden sind. Yelin hatte Ende der 1950er Jahre offensichtlich das Bestreben, die Stadt nicht mehr als Ansammlung von Häusern, sondern von Toren zu zeigen. Anscheinend ist ihm nicht klar, dass die Stadt zwölf Tore besitzt, oder er wusste es und ihm unterlief bei der Umsetzung ein Fehler, allerdings schon zum zweiten Mal (vgl. Johanneskirche in Feudenheim, 1956). Jenseits der Tore sind die übrigen Darstellungen des Fensters, also oben Christus Pantokrator, darunter der Gekreuzigte als Kopie der Ausführung von Dottingen (1956), allerdings detailreicher und farbintensiver. Übrigens ebenfalls wie in Dottingen handelte es sich nicht, wie man vermuten könnte, um eine späte Beseitigung von Kriegsschäden, sondern um eine Purifizierung, die man heute kaum mehr nachvollziehen kann und die es heute so auch nicht mehr geben würde: Aus Ablehnung der eigenen Geschichte und Tradition entfernte man eine qualitätsvolle Szene des Heiligen Abendmahls aus der Zeit von 1884, Geld spielte damals keine Rolle, die Kirche(n) befanden sich in einer Art Bauwahn, selbst kleine Gemeinden wie in diesem Falle hatten die Gelder für die besten Meister ihrer Zeit, hier sicherlich ein Glücksfall, zumal auch die Glasmanufaktur die damals Beste des Landes war: Valentin Saile in Stuttgart, die von Adolf Saile geführt wurde, einem Freund und Kollegen Yelins.

Es bleibt zu hoffen, dass die jetzige Generation mit dem Erbe respektvoller umgeht. Allerdings ist die sakrale Glasmalerei schon aus finanziellen Gründen in Württemberg kaum mehr existent: 1959 entstanden im Auftrag der Württembergischen Landeskirche 476 Buntglasfenster, 2009 nicht einmal mehr ein Dutzend.

Paul Schwarz: Ortsgeschichte des Reutlinger Stadtbezirks Ohmenhausen, Reutlingen 1975.
Evangelische Kirchengemeinde Ohmenhausen. 100 Jahre Martinskirche. Festschrift aus Anlaß der Feier des Kirchenjubiläums vom 24.10. bis 3.11.1985, Reutlingen 1985.
Christa Birkenmaier (Hrsg.): Rudolf Yelin d. J., 1902-1991. Leben und Werk, Petersberg 2019.

 

tags: Rudolf Yelin der Jüngere, Württemberg, Schwäbische Alb, Kunstvernichtung
Share:
error: