Anonymer Künstler: Malerei der „Maria Immaculata“ aus der Kathedrale La Purisima in Macas (1924)
Diese Maria Immaculata mit einer Darstellung der „Puerta del cielo“ mittig links sowie der „Cividad de Dios“ rechts unten befindet sich original in der Kathedrale La Purisima in der ecuadorianischen Stadt Macas. Der heutige Bau ist von 1993, beherbergt aber ein Marienbildnis, das eine lange Vorgeschichte mitbringt. Es geht auf eine Marienerscheinung zurück, und die Figur auf dem Gemälde soll exakt nach dieser Erscheinung dargestellt sein. Die Legende verhält sich in etwa so: Desillusioniert von der Welt beschloss der nach Südamerika emigrierte Spanier Juan Gavilanes (später Juan de la Cruz, der Einsiedler) Zuflucht in den Urwäldern im Osten Ecuadors zu suchen, etwa da, wo sich später Macas befinden sollte. Er baute eine kleine Einsiedelei für die Jungfrau und ließ sich dort nieder. Eine fromme Dorfbewohnerin, Inés Toscano, überreichte dem Büßer eine abgenutzte Karte mit einem Gemälde der Unbefleckten Empfängnis, damit sie, zunächst in einer primitiven Grotte, verehrt werden konnte. Diese Karte, von der der Maler selbstverständlich nicht bekannt ist, soll Maria schon so gezeigt haben wie die spätere Malerei. Am 20. November 1592 versammelten sich einige Bewohner – darunter die Kinder der Familie Toscano – vor der Einsiedelei und erlebten das sogenannte „Wunder der Verwandlung“: Während der Gebete schien das Gemälde der Unbefleckten Empfängnis lebendig zu werden und zu leuchten. So entstand in diesen damals abgelegenen Wäldern, insbesondere unter den Ureinwohnern, die Verehrung der Heiligen Jungfrau. Die Malerei wurde im späten 17. Jahrhundert aus dem Urwald nach Macas gebracht, wo sich weitere Marienwunder ereigneten, wie auch ein schwerer Schicksalsschlag: Am Heiligabend 1891 brach in der ganzen Stadt ein Brand aus, der sogar die damalige Purisima-Kirche erfasste. Zum Entsetzen aller verschwand das wundersame Bild in den Flammen. Das heutige Bild entstand im Auftrag von Bischof Domingo Comín durch salesianische Missionarinnen, die ab 1924 in Macas die Marienverehrung wieder aufnahmen. Auch ein Maler soll daran beteiligt gewesen sein, der aber absichtlich nicht namentlich in Erscheinung trat, um dem neuen Bild etwas Numinoses zu verleihen. Es wurde schnell bekannt, es wird auf Prozessionen gezeigt, man sieht es als Glücksbringer in vielen Läden, sogar den Kirchturm schmückt neuerdings eine Kopie des Gemäldes.
Auf dem neu angeschafften Gemälde ist unten festgehalten, dass es exakt nach dem Original gearbeitet ist. Von dem Original besitzt man jedoch keine Kopie, so dass man sich auf Augenzeugen verlassen musste, die es vor dem Brand noch gesehen hatten. Dennoch ist es ein typisches Produkt des 20. Jahrhunderts, das zeigt ein Vergleich mit älteren Arbeiten, wie etwa die Immaculata Buen Aire, die Himmelpforten von Juan Correa oder zahlreiche anonyme Werke dieses Bildtypus aus Süd- und Lateinamerika. Was aber waren die Vorlagen der Malerei von Macas mit den hellen Farben, den wehenden Schriftbändern, den detailreichen Architekturdarstellungen? Vermutlich Fassungen der als Farblithographie im 19. Jahrhundert weit verbreiteten „Virgo Immaculata“.
Telmo Carrera Ampudia: Historia de la Tierra de los Macas, Macas 1987.
Káterin Gissela Velín Reinoso: Análisis del pueblo macabeo en el imaginario colectivo de la población del cantón Morona, Riobamba 2017.