Das Kloster Dionysiou (Berg Athos, Griechenland) wurde gegen Ende des 14. Jahrhunderts gegründet. Das hiesige Vestibül des Refektoriums (trápesa) mit den Fresken zur Apokalypse wurde zwischen 1537 und 1547 erbaut und ausgestaltet, möglicherweise von den gleichen Künstlern, die zuvor im Kloster Dochiariu tätig gewesen waren. Mit Sicherheit waren es selbst orthodoxe Mönche, mit den speziellen Symbolen der griechischen Orthodoxie und den Besonderheiten ihrer Sakralkunst vertraut, die wandernd in der Region von Auftrag zu Auftrag zogen. Möglicherweise war einer der Beteiligten der kretische Künstler Antonios.
Auch in Dionysiou ist die Darstellung des Himmlischen Jerusalem als jeweils letztes Bild eines Apokalypsezyklus im Refektorium der Klosteranlage zu finden. 21 Episoden aus der Apokalypse schmücken dort den Raum. Es handelt sich um eine jüngere Fassung, angelehnt an eine solche aus dem Nachbarkloster Dochiariu. Rechts oben steht Johannes mit einem Engel. In der Gestik und Zuordnung des Engels und des Johannes wird in der Literatur von einer Kenntnis der Apokalypsedarstellung des Hans Holbein ausgegangen, was vor allem auch bei anderen Apokalypsemalereien dieses Zyklus‘ deutlich wird. Bis zu diesen Darstellungen war in der orthodoxen Kirche die Apokalypse kaum einmal bildlich thematisiert worden, doch mit Dochiariou und Dionysiou setzt eine neue Tendenz ein. Unter den beiden Figuren breitet sich eine Stadt aus. Sie scheint kreisförmig angelegt zu sein, wobei der rechte Abschluss durch Verschmutzung verloren gegangen ist und der linke Abschluss außerhalb des Bildes liegt. Anders als in Dochiariu lassen sich Einzelheiten weniger gut ausmachen, die Malerei ist durchgängig dunkelbraun, hinzu kommt eine jahrhundertealte Firnis. Die äußeren Umrisse, vor allem die Zinnen, die Stadttore (hier besetzt mit Apostelfiguren), werden erst durch die Vergoldung sichtbar. Damit erscheint die Oberfläche, zufällig oder gewollt, wie eine kostbare Kupferplattenmalerei, die ihm 16. und 17. Jahrhundert besondere Beliebtheit genoss. Auch hier findet man das vergoldete Trinitätssymbol, dessen wechselweise geraden und wellenförmigen Strahlen das Dreieck fast verdecken. Neben ihm, ebenfalls in Vergoldung, ist ein Zitat aus der Johannesoffenbarung gesetzt.
Juliette Renaud: Le cycle de l’Apocalypse de Dionysiou. Interprétation byzantine de gravures occidentales, Paris 1943 (Bibliothèque de l’Ecole des Hautes Études, section des sciences religieuses, 59).
The treasures of mount Athos, 1: The protaton and the monasteries of Dionysiou, Koutloumousiou, Xeropotamou and Gregoriou, Athens 1974.
Paul Huber: Apokalypse. Bilderzyklen zur Johannes-Offenbarung in Trier, auf dem Athos und von Caillaud d’Angers, Düsseldorf 1989.
Massimo Capuani, Maurizio Paparozzi: Athos, Milano 1997.
Kriton Chrysochoidis: I monasteri del monte Athos e il mondo ortodosso dopo la caduta Constantinopoli, in: Grigore Arbore Popescu (Hrsg.): Christiani d’ Oriente: Spiritualità, arte e potere nell’ Europa post bizantina, Milano 1999, S. 71-77.