Radapokalypsen gab es bei Wandmalereien oder bei Radleuchtern vor allem in der Romanik häufiger, aber als Buchillustrationen sind sie selten. Eine solche Variante kommt aus Prag (Národni Knihovna, Prag, Signatur: MS XXIII C 124) und entstand dort im 14. Jahrhundert, zwischen 1325 und 1349. Es handelt sich um eine umfangreiche Bilderbibel mit insgesamt 747 Zeichnungen und wenig Text aus beiden Testamenten und anderen religiösen Schriften. Text wie Zeichnungen wurden in Tinte ausgeführt und zurückhaltend teilkoloriert.
Zu Vorläufern, wie einem Liber Floridus (um 1260), haben sich entscheidende Veränderungen ergeben: Zunächst ist auf fol. 168v das Zentrum nicht mehr unbesetzt, sondern hier findet sich nun das Agnus Dei, einschließlich Kreuzesnimbus und Siegesfahne. Auch auf dem Original ist es mit dem Kopf nach unten dargestellt. Um das Tondo ziehen sich zwei konzentrische Kreise, in die die Namen der Apostel geschrieben sind – ein frühes Beispiel, wie sich aus Buchstaben geometrische Figuren formen. Dann folgen abwechselnd Kreissegmente mit einem Turm und mit einer Personendarstellung. In zwölf Feldern sind Flussallegorien und Stundenallegorien dargestellt. Die Kreisaußenseite wird durch die Turmdächer überragt, zwischen die jeweils ein beschrifteter Edelstein gesetzt ist. Um die Stadt sind mehrere Engel dargestellt. Einige spielen zum Vergnügen Posaune, andere sind zum bewaffneten Kampf bereit. Ihr Blick ist grimmig, ihre Flügel spreizen sich aggressiv nach oben.
Eine weitere, wesentlich kleinere und unauffällige Darstellung der Gottesstadt findet sich kurz zuvor auf fol. 163r (Zählung auf Blatt in Bleistift erst 162, dann durchgestrichen 168) als kleines Detail von nur wenigen Zentimetern in Gestalt dreier Bauten. Diese Bauten werden von Dämonen bewacht – höchst ungewöhnlich für einen heiligen Ort, aber nicht unmöglich für das Mittelalter, wenn man an die Wasserspeier gotischer Kathedralen oder unheilabwehrende Fratzen im Fachwerkbau erinnert. Die Stadt wird hier durch drei Kirchenbauten repräsentiert, die alle lateinische Kreuze auf den Kuppeln haben, unter denen man sogar die Dachschindeln erkennen kann – in einer Gestalt, die an St. Peter in Rom vor den Renaissance-Umbauten angelehnt ist. Die beiden Seitentürme sind etwas schmaler als der mittlere Turm, dafür ist dessen Kreuz niedriger gesetzt. Auch dieses Detail kommt, obwohl hier ein prominenter Gegenstand der Bibel aufgegriffen wurde, ohne stärkere Farbakzentuierung aus.
Velislai Biblia picta, Pragae 1970 (Edito Cimelia Bohemica, 12).
Josefa a Putifarky, Pavel J. Kácer: Velislai biblia picta, Príbram 2000.
Zdenek Uhliir: Velislavova bible, Prag 2007.
Lenka Panušková: Die Velislav-Bibel in neuem Licht, in: Umění, 56, 2, 2008, S. 106-118.
Alena Richterová: Velislavova bible, in: Grand Biblio, 3, 11, 2009, S. 13.
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