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MS II 282: Apokalypsehandschrift (um 1310)

1877 gelangte eine Handschrift der Johannesoffenbarung in die Königliche Bibliothek von Brüssel, die zu Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden ist. Obwohl in französischer Sprache, wurde die Arbeit in England hergestellt, vermutlich im Kloster zu Greenfield in Lincolnshire mit seiner bedeutenden Schule der Buchmalerei (siehe Greenfield-Apokalypse, um 1320).
Zwei der 63 Miniaturen des Teils der Handschrift, die der Apokalypse vorbehalten sind, zeigen das Neue Jerusalem (MS II 282, fol. 52v und 54r). Fol. 52v zeigt Johannes in einer Türrahmung oder einem Arkadenbogen vor dem Engel. Dessen Gesicht ist ihm zugewandt, während beide Hände auf das Geschehen in der rechten Bildhälfte deuten. Dort zeigt sich das Himmlische Jerusalem als Stadtabbreviatur. Dominierend ist eine weit offen stehende Flügeltüre, die mit dem Bogen, in dem Johannes steht, korrespondiert. Auf dem Dach befindet sich rechts neben dem Mittelturm ein merkwürdiges Kreisgebilde: Es könnte der (rote) Mond sein, der die (blaue) Sonne aufgenommen hat, da in der nun anbrechenden Zeit keine Himmelskörper mehr benötigt werden und sie als Erinnerungsobjekte auf dem Dach Platz gefunden haben könnten. Wahrscheinlicher handelt es sich aber um einen verzweifelten Versuch des Miniaturisten, neben dem gelungenen Kegeldach noch eine weitere Dachform, offensichtlich eine Kuppel, einzufügen.

Fol. 54r ist durch eine noch radikalere Bildteilung strukturiert. Genau in der Mitte ist die Miniatur geteilt. Links nimmt der Engel aus der vorhergehenden Miniatur Johannes, der inzwischen aus dem Rundbogen hervorgetreten ist, an die Hand. Rechts schwebt die Gottesstadt in einer Darstellungsweise, wie man es vor allem aus einer anderen Miniaturen des 14. Jahrhunderts kennt, der Queen-Mary-Apokalypse. Die Edelsteindarstellung und die Doppelreihung der Tore war nicht mehr das Neueste. Der Künstler verzichtete auf eine prachtvolle Darstellung und reduzierte den wesentlichen Bildinhalt unter größtmöglicher Betonung der Fläche. Unter der Schwierigkeit, die immergleichen Themen darzustellen, gleitet er nicht ins Manieristische ab, sondern verfolgte eine klare, eindrückliche Formensprache in der für dieses Jahrhundert rotblauen Kolorierung.

99, in: Joseph van den Gheyn: Catalogue des manuscrits de la Bibliothèque Royale de Belgique, 1, Bruxelles 1901, S. 47.
Notice 42, in: Camille Gaspar, Frédéric Lyna: Les principaux manuscrits à peintures de la Bibliothèque royale de Belgique, 1, 2, Paris 1937, S. 21-22.
Harry Bober: The Brussels Apocalypse (Ms. II. 282) of the Bibliothèque royale, containing also the Lumière as Lais and the Pénitence Adam, New York 1940.
Harry Bober: A new attribution for Brussels Apocalypse, New York 1941.

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tags: Apokalypsehandschrift, England, Gotik
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