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Die Greenfield-Apokalypse (um 1320)

Die Schrift Royal MS 15.D.II der British Library in London entstammt einem Frauenkloster in Greenfield bei Lancashire und wird aus diesem Grund als Greenfield-Apokalypse bezeichnet. Auch unter dem Namen „The Welles Apocalypse“, nach dem ehemaligen Besitzer John Welles, kennt man sie. Auftraggeber und daran beteiligte Miniaturisten sind namentlich dagegen nicht bekannt.
Links auf fol. 117v wird eine Himmelspforte gezeigt, mit der die Illustrationen zum Himmlischen Jerusalem beginnen. Durch das Aufschwingen der beiden Flügeltüren werden die kunstvollen Beschläge sichtbar. Die Szene stellt dar, wie ein Geretteter mit Hilfe einer Leiter und eines Engels in die heilige Stadt aufgenommen wird. Im Prinzip ist es die gleiche Darstellungsweise wie auf fol. 5v der Queen Mary Apokalypse (1300-1325).

Mehr von der Stadt ist auf fol. 198v zu sehen. Johannes blickt mit einem geschlossenen Buch unter seinem Arm zur Himmelsstadt in Form einer kleinen Kirche mit einer geschlossenen Pforte – zwischen beiden schiebt sich Wasser quer durch das Bild. Davor und dahinter ist Platz für die aufwendige Musterung des blauen Hintergrundes, die bis an die Stadt heranreicht.

Auf der folgenden Miniatur fol. 199r thront Christus in der Mandorla nicht, wie üblich, über der Stadt, sondern direkt neben Johannes. Auch eine Gruppe von Geretteten findet sich ein, deren Blick nicht auf die Stadt, sondern auf Christus hin gerichtet ist. Die Stadt erscheint relativ unverändert wie bereits auf fol. 198v als Kirchenbau mit geschlossener Pforte. Sie ist etwas näher herangerückt, daher größer, und hat nun drei, statt zwei Türme. 

Die letzte Abbildung fol. 202v zeigt noch einmal den Seher und den Engel. Ein drittes und letztes Mal wird die Stadt Jerusalem in Form einer Kirche mit geschlossener Pforte präsentiert, die Türme sind nun von einer Wolke verdeckt. Offensichtlich war dem Miniaturisten eine prächtige Darstellung des Neuen Jerusalem nicht wichtig, nicht einmal eine farbige Gestaltung der Edelstein-Mauer wird unternommen. In keiner weiteren mittelalterlichen Apokalypseausgabe wird die Stadt derartig monoton wiederholt. Die simple Reproduktion der einmal gefunden Lösung ist, wenn man so will ein Merkmal der Greenfield-Apokalypse. Dem Künstler kam es aber auch auf etwa ganz anderes an: Er ist fasziniert von verschiedenen Mustern des Hintergrunds, dann auch von Blümchen und Rankenoramenten, die weit in den Text hinein reichen.

Donald Drew Egbert: The so-called ‚Greenfield’, British Museum, Royal MS. 15 d II, in: Speculum, 11, 1936, S. 446-452.
Mary Hamel: Arthurian romance in fifteenth-century Lindsey, in: Modern Language Quarterly, 51, 1990, S. 341-361.
Lucy Freeman Sandler: The lumere as lais and its readers: Pictorial evidence from British Library Ms Royal 15 D ii, in: Elina Gertsman, Jill Stevenson (Hrsg.): Thresholds of medieval visual culture: Liminal spaces, Woodbridge 2012, S. 73-94.

 

tags: British Library London, England, Kloster, Flügeltür, Beschlag, Leiter, Wolke, Mandorla, Gotik, Mittelalter
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