MS Vat. Lat. 429: Augustinus‘ Civitas Dei (15. Jh.)

Selbstverständlich hatte auch der Vatikanstaat Bedarf an Ausgaben des Augustinus-Klassikers „Civitas Dei“, die im 15. Jahrhundert fast mehr geschätzt waren als die Bibel. Davon zeugen prächtig ausgestattete Editionen wie MS Français 21 (1414), diejenige von Jacquemart Pilavaine (1462) oder eine Ausgabe aus Flandern (1450-1500).
Die Ausgabe „Vat. lat. 429“ aus der Biblioteca Apostolica Vaticana steht hinter diesen Werken in keiner Weise zurück. Sie zeigt auf Folio 2 im oberen Bereich die Stadt Gottes in besonderer Art und Weise: Geradezu ängstlich haben sich einige Gerettete (allesamt alte Männer, oft mit Bart und tlw. ergrauten Haaren, vermutlich die Propheten und Patriarchen des Alten Testaments) hinter die Stadtmauern zurückgezogen. Diese sind extrem hoch und wachsen seitlich zu Türmen heran, wie man sie damals vor allem in der Lombardei finden konnte. Links wird der Zugang von einem bewaffneten Bischof verteidigt. Die grauen, abweisenden Mauern werden oben erneut aufgenommen, wo in der linken Ecke vor einem Torbogen ein Engel kniet, gegenüber einer weiblichen Heiligenfigur auf der anderen Seite. Diese obere Szene zeigt die Verkündigung Mariens. Eine weitere Binnenszene zeigt sich in der Stadt. Dort erscheint über den Geretteten eine Mandorla, in der Gott den Gekreuzigten trägt. Ein solcher Verweis ist typisch für die Westkirche, hier aber besonders unpassend, da das Neue Jerusalem ein Ort der Auferstehung und Freude, nicht der Kreuzigung und der Trauer ist.
Der Band wurde vermutlich für ein italienisches Bistum geschaffen und war für den alltäglichen Gebrauch gedacht. Möglicherweise, so wird vermutet, war dies das Bistum Ostia, aus dem der spätere Papst Pius VII. (1717-1799) kam, unter dem diese Handschrift in die Vatikanische Bibliothek gelangte.

429, in: Alfonso Capecelatro: Codices 1-678, Roma 1902, S. 327 (Codices Vaticani Latini, 1).
Alexandre de Laborde: Les manuscrits à peintures de la Cité de Dieu de Saint Augustin, Paris 1909.
Elisa Brilli: Une cité si proche. Histoire du paradigme médiéval de la ciuitas diaboli, in: Atelier du CRH 6, 2010.
Elisa Brilli: Le attualità umanistiche della Città di Dio. Un contributo iconografico allo studio della ricezione del De Ciuitate Dei attraverso i codici miniati italiani del XV secolo, in: Segno e Testo, 9, 2011, S. 1-35.

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