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MS Français 23 (1405/07) und MS Français 21 (1414): Augustinus-Texte von Raoul de Presles

Augustinus von Hippo (354-430) formte in seinem Hauptwerk „De Civitate Dei“ die biblischen Stadtvorstellungen zu einem einheitlichen Gedankengebäude, welches bis weit in die Frühe Neuzeit wirkte. Wie das Neue Jerusalem bei Augustinus eine Gemeinschaft der Heiligen symbolisiert, so steht Babylon für eine Gemeinschaft der Verworfenen. Einwohner beider Typen sind vom Anbeginn der Menschheit bis zum Ende der Welt miteinander vermischt und werden erst beim letzten Gericht voneinander geschieden. Eine sichtbare Trennung beider Bereiche, von Civitas Dei und Civitas Terrena, ist in der historischen Wirklichkeit nicht möglich. Der Gottesstaat nach Augustinus ist kein Ideal, das sich in der Geschichte – ob im historischen Jerusalem oder in Idealstädten – verwirklichen ließe. Die Kirche bleibt in ihrer irdischen Existenz lediglich die Repräsentationsform der übergeschichtlichen Civitas Dei. Nach der Theologie des Augustinus sind gerade dem guten irdischen Staat und der tugendreichen irdischen Stadt zu misstrauen, da hier die Bewohner ihren Lohn bereits auf Erden empfangen hätten. In dieser Augustinischen Tradition, die reale irdische Stadt als eine – im Idealfall – Spiegelung der himmlischen communitas perfecta zu sehen, stehen unzählige mittelalterliche Theologen, vornehmlich Wilhelm von Auvergne und Albertus Magnus.
Eine der frühesten Miniaturen dieses Genres aus Frankreich bietet die Handschrift MS Français 23 der Französischen Nationalbibliothek in Paris, dort fol. 4. Sie stammt von dem „Maitre de la Cité des Dames“, der sie um die Jahre 1405/07 anfertigte. Es handelt sich um ein Exemplar eines Augustinus-Textes in der Übersetzung von Raoul de Presles (um 1316-1382).

 

Kurz danach, 1414, entstand diese Miniatur „La cité de Dieu et la cité terrestre“ („Die göttliche Stadt und die irdische Stadt“). Auch hier handelt es sich um ein Exemplar eines Augustinus-Textes in der Übersetzung von de Presles. Es wurde ausgestattet mit Miniaturen von dem Meister Boèce aus der Bourbonen-Bibliothek, die heute in der Französischen Nationalbibliothek in Paris aufbewahrt werden (MS Français 21, fol. 2). Der Künstler hat die drei Engel hier zu einer Trinitäts-Darstellung über der Stadt zusammengefasst. Während bei MS Français 23 ein grünes Farbfeld unter die Stadt gesetzt ist, lebt diese Miniatur ganz von einem oben einbrechendem Blau, deren Wolken in das Fundament der Stadt übergehen.

20 et 21. La Cite de Dieu, de Aurelie Augustin, in: Bibliothèque impériale – Département des manuscrits. Catalogue des manuscrits français, 1, Paris 1868, S. 2.

 

tags: Augustinus von Hippo, Mittelalter, Gotik, Babylon, Babel, Französische Nationalbibliothek Paris
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