Matthäus Merian (1593-1650): Die Merianbibel (1627 ausgearbeitet, 1630 gedruckt), plus Varianten des 17. Jh.

Matthäus Merian der Ältere hatte zwischen 1625 und 1630 genau 258 Kupferstiche zum Alten und Neuen Testament gefertigt, die 1630 in eine deutschsprachige Lutherbibel hinein genommen worden sind: Die noch heute bekannte „Merian-Bibel“ war geboren. Merian hat Luthers Wunsch, mit dem Bild möglichst dem Bibeltext zu folgen und die Geschichtlichkeit der Offenbarung zu zeigen, ganz neu verwirklicht. Er hat die seit Dürer und Cranach festgelegten Motive und Darstellungsweisen überprüft, neu gesehen und anders gestaltet. Das Himmlische Jerusalem unterliegt einer strengen Geometrisierung. Alle zwölf Eingangstore, die darauf stehenden Engel, die vier Ecktore, der Wassergraben und die Zugangsbrücken sind identisch und gerade gezogen.

Die starke Befestigung der Anlage ist unbewusst vielleicht durch Erfahrungen aus dem gerade tobenden Dreißigjährigen Krieg mit eingeflossen. Auch im Stadtinneren herrscht nun Ordnung: Die Häuser haben alle in etwa die gleiche Größe und sind zur Mitte hin spiegelbildlich aufgestellt. Dazwischen befinden sich breite Straßen, die die Stadt in ein gleichmäßiges Raster unterteilen. Die Stadt liegt nun nicht länger an einem Berghang, sondern in einer Tiefebene, durch die sich ein breiter Fluss zieht und der aus der Stadt entspringt. Selbst der Hügel, von dem der Engel Johannes die Stadt zeigt, scheint niedriger als die bewaldeten Berge im Hintergrund zu sein. Diese Landschaftszenerie ist wirklich neu und traf die Sehnsucht nach Friedlichkeit, Weite und Überschaubarkeit, von der man in Deutschland vielleicht gehört hatte, aber wenig selbst erfahren konnte: Das Bild spricht von einem Ideal – die Wirklichkeit sah um 1630 anders aus.

Kurt Beckey: Merian d. Ä. als Bibelillustrator (1625-1670), in: Bibel und deutsche Kultur, Potsdam 1941, S. 58-137.
Johanna Geyrhalter: ‚Icones biblicae’ Matthaeus Merians d. Ä. Die künstlerischen Quellen zum Neuen Testament. Ein Beitrag zur Merian-Forschung, Graz 1971.
Ulrike Fuß: Matthaeus Merian der Ältere. Von der lieblichen Landschaft zum Kriegsschauplatz. Landschaft als Kulisse des 30jährigen Krieges, Frankfurt am Main 2000. 

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Sobald die Merianbibel vorlag, wurde sie fleißig kopiert, denn ganz Europa geriet in ein Merian-Fieber. Zum einen gab es die Kopien als Ölmalereien, dann die Kopien als Kupferstiche. Eine erste Variante findet man bereits ein Jahr nach dem Erstdruck in der „Icones Biblicae: Biblische Figuren, darinnen die fürnembsten Historien in Heiliger Göttliger Schrifft begriffen“, Cöllen 1631, Abb. 152. Die zwei Figuren sind jetzt auf die linke Seite gesetzt, über die Stadt wurde eine Kartusche mit der Aufschrift „APOCAL XXI“ angebracht (ebenso Icones Biblicae/Biblische figuren, Amsterdam 1659, S. 164 – während die Ausgabe Historiae Sacra Veteris et Novi Testamenti, Byblische Figuren, Amsterdam 1648, S. 85, die Personen ebenso wie auf dem Merian-Stich rechts zeigt).

 

Mit erheblicher Zeitverzögerung kam es zur ersten französischsprachigen Ausgabe, der „L’histoire du Vieux et du Nouveau Testament“ von Nicolas Fontaine (1625-1709) für den Büchermarkt in Frankreich, Paris 1670 (WLB, Ba graph 167001, S. 519). Noch 1696 wurden die abgenutzten Druckstöcke für eine Folgeauflage verwendet (WLB, Ba graph. 169601, S. 535), was die späte Beliebtheit der Kupferstiche Merians in Frankreich belegt.

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Eine Variante als ganzseitiger Holzschnitt ist in einer Londoner Prachtausgabe zu finden, welche unter dem Titel „The History of the Old and New Testament“ 1688 erschien. Die vertikale Illustration auf Seite 84 wurde von L. Mason gestochen. Beteiligt als Übersetzer und Herausgeber war wiederum Nicolas Fontaine. Zeitweise saß er in der Pariser Bastille gefangen, da er die protestantische Rechtfertigungslehre angenommen hatte. Während seiner Gefangenschaft arbeitete er unter dem Pseudonym „Sieur De Royaumont“ an einer englischsprachigen Bibelausgabe, die manchen als die schönste Bibelausgabe jener Jahre ansehen.

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Ein geringfügig vereinfachter Stich aus einer Londoner Edition „The History of the Old and New Testament“ erschien im Jahr 1691 (Abb. Nr. 234). Vor allem der schmückende und erklärende Banner über der Stadt wurde hier nicht übernommen, ebenso ist die Bildunterschrift weggefallen. Die Landschaft ist ebenfalls reduziert dargestellt, der Fluss hinter der Stadt kann eigentlich gar nicht mehr erkannt werden. Dafür wird die Stadt jetzt durch markante Strahlen aus den Wolken beleuchtet.

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Die letzte Meriankopie erschien dann 1699 in Paris. Verleger war erneut Nicolas Fontaine, der hier unter seinem Pseudonym „Royaumont“ auftrat. Auf Seite 614 von „L’histoire du Vieux et du Nouveau Testament“ zeigt ein Kupferstich die Szene, wie wir sie kennen. Die Linienführung ist weicher, etwas malerischer als bei den vorherigen Illustrationen, auch die Gesichtszüge der Figuren sind lieblicher. Fontaine kannte vielleicht inzwischen den Originalstich, denn die angesprochenen Figuren, die er 1670 noch links brachte, sind nun wieder auf die andere Seite gewandert.

 

tags: Matthäus Merian, Kupferstich, Bibelausgabe, UB Halle, Nicolas Fontaine, Paris, London
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