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MS M.133: Berry-Apokalypse (1410-1420)

Im Mittelpunkt werden die Anbetung, Verehrung und Huldigung des Gotteslammes durch eine Frau gezeigt. Im Hintergrund der Szenerie erhebt sich das Himmlische Jerusalem, eher beiläufig, obwohl das Bild der Größe 30 x 20 Zentimter den Apokalypsetext Kap. 21, Vers 9-14 illustrieren soll. Die Miniatur von fol. 82v ist in Paris geschaffen worden und zeigt einen neuen, bislang nicht gekannten Umgang mit dem Thema. Der Stil ist leicht und beschwingt, die Szenerie freundlich und friedlich. In diese Wasserfarbzeichnung fließen auch Anklänge des Paradieses, des Locus Amoenus und des Hortus Conclusus mit ein. Die Wärme entsteht nicht zuletzt durch den kastanienroten Hintergrund und die frühlingsgrünen, hellen Pastelltöne im Vordergrund.
Die Stadt wirkt eng und zusammengerückt, nicht einmal Platz für einen Eingang ist geblieben. Sie erscheint unbewohnt und unbewacht. Mit ihrer verwinkelten Dachlandschaft macht sie einen expressiven Eindruck und steht ganz im Kontrast zu der sie umgebenden ruhigen und harmonischen Natur. Vorbild war vermutlich MS Français 23 mit einem ganz ähnliche Rundturm, der die Grabeskirche darstellen soll.
Der Meister dieser französischsprachigen Berry-Apokalpyse ist zwischen 1407 und 1420 als Illustrator nachgewiesen. Der Name deutet auf den Auftraggeber und ersten Besitzer des Werkes, den Herzog Johann von Valois oder Johann von Berry (1340-1416). An dieser Handschrift klebt Blut, und zwar nicht das des Lammes: Johann von Berry war ein skrupelloser Gewaltherrscher, der wegen seines Geizes und seiner brutalen Steuereintreibung wenig beliebt war. Unsummen seiner erpressten und gestohlenen Gelder gab er als Mäzen und Kunstsammler für Palastbauten und kostbare Handschriften aus, worunter neben der Berry-Apokalypse vor allem das wertvolle Stundenbuch Très Riches Heures bekannt ist. Heute befindet sich diese Pretiose in der New Yorker Morgan Library (MS M.133).

Millard Meiss: French painting in the time of Jean de Berry, London 1974.
Judith K. Golden: The iconography of authority in the depiction of seated, cross-legged figures, in: Colum Hourihane (Hrsg.): Between the picture and the word. Manuscript studies from the index of Christian art, Princeton 2005, S. 81-99.
Eberhard König: Vom Schöpfer zum Autor: Genesis, Heilsgeschichte, Boccaccio. Eine Bilderhandschrift mit 78 Miniaturen vom Meister der Apokalypse des Herzogs von Berry, Ramsen 2006.

 

tags: Herzog Berry, Paris, Frankreich, Wasserfarben, Pastell, Morgan Library, New York, Frührenaissance
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