Adolf Quensen (1851-1911): Jugendstildeckenmalerei in Alt-Lehndorf (1904)

In der evangelischen Kreuzkirche in Alt-Lehndorf am westlichen Stadtrand von Braunschweig, das im dortigen Dom bereits ein wertvolles Kunstwerk mit einem Himmlischen Jerusalem besitzt, wurde diese Thematik 1904 erneut ins Bild gesetzt. Nachdem die alte Lehndorfer Kirche zum Teil baufällig geworden war, kam es zwischen 1903 und 1905 zu umfangreichen Umbau- und Erweiterungsarbeiten. Dabei erhielt die Kirche ihre heutige, einzigartige Gestalt und Ausgestaltung. Für die Innenausmalung der Decke und Wände gewann man Adolf Quensen (1851-1911), den „Hof- und Dekorationsmaler“ des Herzogs von Braunschweig. Der Altmeister des Historismus hatte kurz zuvor die Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ausgemalt. In seinem Alterswerk nahm er Impulse des Art déco und Jugendstils auf und kam zu einer eigenständigen Formsprache, die von deutschen Kunsthistorikern lange Zeit unterbewertet oder nicht verstanden wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die schadhaft gewordene Innenausmalung übertapeziert bzw. überstrichen, die gesamte Kirche wurde schließlich grauweiß getüncht. Jedoch schon 1972 wurde die Decke wieder freigelegt und restauriert. 1989 wurden auch die Apsis, Bögen und Fensterlaibungen freigelegt, auf eine Gesamtwiederherstellung aller Wandmalereien wurde jedoch verzichtet.
Beherrschendes Motiv der Deckenausmalung ist das Neue Jerusalem, das vom Himmel auf die Erde herab kommt. Es findet sich als Deckenbild in der Vierung, umgeben von den Symbolen der vier Evangelisten. Vom Neuen Jerusalem fließt das Wasser des Lebens in alle vier Himmelsrichtungen, es nimmt seinen Ursprung in der himmlischen Stadt und setzt sich von dort als schmückendes Band über die restliche Decke bis zum Eingangsbereich fort. Die eigentliche Stadt ist ein Quadrat, das in dem äußeren Quadrat um 90 Grad gedreht wurde. Die Haupteingänge an den vier Seiten sind als Kirchenbauten mit bekrönenden Kreuzen gestaltet, die Stadtmitte ist durch ein Lichtkreuz markiert.
Parallel zu Alt-Lehndorf entstand übrigens um 1890 eine Variante, allerdings noch ohne Gottesstadt, aber bereits mit grünblauem Lebensfluss, dem Lamm Gottes samt Kreuz in der Mitte sowie den Symbolen der vier Evangelisten am Rand. Man findet die farbintensive Malerei, die ebenfalls Adolf Quensen geschaffen hat, auf der Decke der Dorfkirche zu Lelm, einem Ortsteil der Stadt Königslutter, etwa 20 Kilometer östlich von Alt-Lehndorf.

Norman-Mathias Pingel: Quensen, Adolf, in: Braunschweiger Stadtlexikon, Braunschweig 1992, S. 18.

tags: Adolf Quensen, Historizismus, Braunschweig, Niedersachsen
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