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Stundenbuch MS Latin 10563 aus Nordfrankreich (1531)

MS Latin 10563 ist ein römisches Stundenbuch aus der Französischen Nationalbibliothek in Paris. Ein Stundenbuch, auch lateinisch als Horarium bezeichnet, war ein Textbuch für Gebete und Mediationen nach bestimmten Zeiten, meist Stunden, was dem Buch seinen Namen gab. Diese Art von Frömmigkeitsliteratur entstand Mitte des 13. Jahrhunderts in England.
Jahrhunderte später entstand diese Ausgabe im Jahr 1531 in Nordfrankreich. Zu diesem Zeitpunkt, am Vorabend der Reformation, waren die mittelalterlichen Stundenbücher außer Mode, dieses Exemplar ist eines der letzten. Dementsprechend gering ist das Interesse der Wissenschaft; es gibt kaum eine Forschung zu dem Band, wenig ist darüber konkret bekannt.

Wie auch andere Werke der Frömmigkeitsliteratur dieser Zeit beinhaltet es eine Darstellung der Maria Immaculata, hier auf fol. 168. Gezeigt wird im Zentrum eine stehende Figur, die Heilige Anna selbdritt. In dieser findet sich Maria, die wiederum mit Jesus schwanger ist – eine kuriose Konzeption, die hier von Simon Vostre übernommen worden ist. Um die drei ineinander verschachtelten Personen sind verschiedene Symbole nach der Lauretanischen Litanei angeordnet, die ihre Reinheit symbolisieren sollten. Ein Kanon, dem diese Illustration entspricht, hatte sich in den 1530er Jahren bereits herausgebildet. So war es gewissermaßen unverzichtbar, zu den Symbolen ein Spruchband dazuzusetzen, in welchem das entsprechende Symbol auf Latein beschrieben ist. Heute hilft dies bei der einwandfreien Zuordnung der Symbole.
Zurückhaltend koloriert findet man rechts oben neben der Heiligen Anna eine kleine Himmelspforte (Porta Coeli, auch Celi). Sie ist vor einen gelben Hintergrund gesetzt, der noch an das Gold der Gotik angelehnt ist. Der Bau ist symmetrisch angelegt, die beiden runden Seitentürme sind ebenso hoch wie die Pforte mit dem Satteldach dazwischen. Rechts unten, wie üblich, wurde die Gottesstadt (Civitas Dei) gesetzt. Es ist eine Stadtdarstellung mit zahlreichen unterschiedlichen Bauten, die detailverliebt verziert und individuell ausgestattet wurden. Die Türme haben, was selten dargestellt ist, alle ein Flachdach. Auf ihnen befinden sich lange Stangen, die den modernen Betrachter an Blitzableiter erinnern. Es sind Befestigungen für Wetter- und Schmuckfahnen.

John Harthan: Stundenbücher und ihre Eigentümer, Freiburg 1976.
Roger S. Wieck: Time sanctified. The Book of Hours in medieval art and life, New York 1988.

 

tags: Stundenbuch, Frankreich, Französische Nationalbibliothek Paris, Spätmittelalter, Fahne, Maria Immaculata, Porta Coeli, Civitas Dei, Blitzableiter
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