Die Kapelle Saint Michel in Aiguilhe (Département Haute-Loire) befindet sich spektakulär auf der Spitze eines steilen Vulkanfelsens. Schon die Römer hatten an diesem Ort eine Kultstätte. Unter den Bischöfen Godescalc und Trianus wurde auf dem Berg in Anlehnung an die Aachener Pfalzkapelle ab 962 eine Kirche erbaut, die nur über zahlreiche Treppen zugänglich ist. 972 wurde sie dem Heiligen Michael geweiht wurde. Der Ort war eine beliebte Pilgerstation auf dem Weg nach Santiago de Compostela und diente daher auch als Herberge vor allem für Pilger aus dem deutschen Sprachraum.
Die Fresken im Inneren der Kapelle stammen noch aus der Erbauungszeit, sie werden auf die Jahre 972 bis 984 datiert.

Die Szene mit dem Himmlischen Jerusalem verbindet über ein Eck hinweg zwei Wandseiten. Teilweise sind größere Flächen verloren gegangen, doch die ursprüngliche Konzeption ist Dank einer sorgfältigen Restaurierung im Jahre 2004 noch bzw. wieder gut zu erkennen, Details sind jedoch auch im Original verwaschen und unscharf. Im unteren Bereich ist eine weiße Quaderung aufgemalt, es ist die Mauer oder das Fundament der Stadt. Darüber befinden sich drei Stockwerke mit rundbogigen, romanischen Arkaden. In sie sind – vor blauem Hintergrund – die Büsten von Heiligen gesetzt. Meist sind es zwei, doch gibt es im linken Bereich auch Nischen mit nur einer Büste. Auf der rechten Seite befindet sich, zwischen einer Säule und einem Turm, der einzige Eingang in die Stadt. Gerade tritt ein Geretteter, gestützt von einem Engel, über die Schwelle.

Die Idee von mehrstöckigen Arkaden, besetzt mit Heiligen, die nicht in die Stadt, sondern nach außen zum Betrachter schauen, sollte noch vielfach aufgegriffen werden, vor allem im Umkreis von Benediktinerklöstern und bei Ikonen der Ostkirche (siehe dort das Bildmotiv „Arkadenjerusalem“). Hier hat man eine frühe Form dieses Motivs vor sich; im Bereich der Wandmalerei handelt es sich um das älteste erhaltene Beispiel.
Roger Martin: Saint-Michel d’Aiguilhe, Lyon 1962.
Xavier Barral i Altet: La chapelle Saint-Michel d’Aiguilhe au Puy, in: Congrès Archéologique de France. Société Française d’Archéologie, 133, 1975, S. 230-313.
Scott Anthony Hamsik: The church of Saint-Michel d’Aiguilhe. Siting, authenticity, and sources, University of Maryland at College Park 1995.
Fabienne Bousseaud, Philippe Bousseaud: Saint-Michel d’Aiguilhe, Végennes 2008.



