Jerusalem-Schmuckanhänger (16. Jh.)

Schmuck mit dem Motiv des Himmlischen Jerusalem hat es über die Jahrhunderte selten gegeben. Zum einen eignet sich eine Architekturvorlage kaum für Broschen oder Kettchen, zum anderen passt das religiöse Endzeitthema mit seinen apokalyptischen Bezügen nicht recht zum weltlichen Geltungsbedürfnis modisch orientierter Frauen oder Männer. Ausnahmen lassen sich, mit einiger Mühe allerdings, finden. Ein sehr schönes Stück bewahrt das Louvre-Museum in Paris unter der Inventarnummer R 343 auf (Raum 101, 1998). Es ist ein emaillierter Goldanhänger, verziert mit Rubinen aus dem Vermächtnis der Ehefrau des Baron Salomon Rothschild (1774-1855). Dieser war ein österreichischer Unternehmer und Bankier, der zuletzt vornehmlich bei seiner Tochter Betty in Paris lebte und auch dort verstarb. 1922 konnte es für das Museum im Rahmen einer Erbschaft erworben werden.
Das 9 x 6 cm große Schmuckstück ist aber wesentlich älter, es stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde in Deutschland oder in Flandern von einem talentierten Goldschmied hergestellt. Die Kette und das Gehänge wurden später im 19. Jahrhundert hinzugefügt – es war eine gängige Methode, alten Schmuck durch solche Zutaten modisch anzupassen und tragbar zu halten. Das Louvremuseum gibt neuerdings als Herstellungsort Italien an, ohne aber eine Quelle zu nennen. Das Trägerteil besteht aus Gold und Emaille, das Kettengehänge aus mehreren Perlen, von denen sieben durch ihre außergewöhnliche Größe hervorragen. Dargestellt ist das Himmlische Jerusalem als Festung vor einem Fluss oder vor dem offenen Meer. Die Stadt ist auf einem weißen Felsen (Perlmutt) errichtet, miniaturistische Türme und Häuser sind an drei Seiten zu entdecken. Dort sieht man jeweils einen zentralen Hauptturm mit Zinnen, an den jeweils drei Vorwerke gesetzt sind. Dabei sticht vor allem der obere Turm hervor, denn er durchbricht den mit Rubinen besetzten Rahmen. Auf seiner Spitze thront eine Figur, die ich als vergoldeten Engel interpretiere. Doch selbst dieser größere Turm wird von dem Perlmutt bedrängt, welches wie Seifenblasen eine dreidimensionale Wirkung entfaltet. So übersieht man leicht, dass sich ganz links noch eine Galeone befindet. In dieser Kombination ähnelt die Arbeit spanischen Darstellungen der Maria Immaculata aus dem 16. Jahrhundert, auf denen die Civitas Dei oft mit einem Schiff verbunden ist.

 

tags: Museum Louvre Paris, Schmuck, Anhänger, Brosche, Rubin, Rothschild, Perle, Perlmutt, Galeone
Share:
error: