Christian Walther (1534-1584): Meißner Epitaph aus St. Afra (1562)

Epitaphe waren über die gesamte Renaissance hinweg der passende Ort, das Weltgericht zu thematisieren, und in diesem Zusammenhang das Neue Jerusalem. Es beginnt mit dem Weltgericht auf dem Epitaph von Hermann Schedel (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, 1485 um), setzt sich fort mit dem Epitaph Schönberg in Gelenau (1581) oder dem Epitaph der Margarethe Tieffenbach in St. Marien, Berlin (1687). Zu diesen bedeutenden Kunstwerken darf sich auch ein Epitaph in der evangelischen Afrakirche in Meißen zählen. Dort befindet sich an der Westwand die sogenannte Schleinitzkapelle, die auf 1562 datiert ist. Sie erinnert an den Adeligen Haubold von Schleinitz und wurde wahrscheinlich vom Dresdener Bildhauer Christian Walther (1534-1584) geschaffen.

Ein antikisierender Aufsatz aus Marmor, der mehrere Meter über dem eigentlichen Hauptteil thront, zeigt zwischen zwei Karyatiden ein klassisches Weltgericht mit Christus in der Mitte, der Verdammnis rechts und dem Himmlischen Jerusalem links. Dort steht Petrus mit dem Schlüssel und weist einer handvoll Geretteter an eine geöffnete Pforte. Die Geretteten sind hier nicht, wie noch bis ins Spätmittelalter, Vertreter von Ständen, sondern einfache Gläubige, nackt oder mit einem Umhang bekleidet. Die Pforte, die hier das Neue Jerusalem repräsentiert, ist denkbar einfach: ein ungeschmückter Rundbogen, von dem man lediglich den linken Pfeiler samt Kapitell sehen kann. 

Carl Niedner: Die Schleinitzkapelle der Afrakirche in Meißen, in: Leipziger Zeitung/Wissenschaftliche Beilage, 1904, S. 441-448.
Walter Hentschel: Dresdner Bildhauer des 16. und 17. Jahrhunderts, Weimar 1966.
Georg Krause: St. Afra in Meißen, Berlin 2012.

 

tags: Sachsen, Epitaph, Weltgericht, Pforte, Marmor
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