„Der Seher am Hofe Babels oder die Weltgeschichte im Lichte der Bibel“ war eine Publikation des Missionsdirektors Ludwig Richard Conradi (1856-1939). Sie wurde 1909 von der Internationalen Traktatgesellschaft in Hamburg herausgebracht und zeigt auf Seite 335: „Das ewige Erbteil der Verständigen“. Man sieht eine Zeichnung, die durchaus älter als 1909 sein kann, den sie hat eher Züge des Historismus als solche des Jugendstils. Ein kleines Kind domestiziert einen Löwen, in Begleitung eines Tigers (links) und eines Lamms (vorne). Im Hintergrund mäandert ein Fluss bis hin zur Stadt Gottes, die sich unter einem gewaltigen Lichtkranz abzeichnet. Dabei tritt der Fluss direkt in die Stadt, Tore oder Pforten scheint es hier nicht zu geben. Der Illustrator ist namentlich nicht bekannt; sicherlich war es nicht Conradi, sondern vermutlich jemand aus seinem Umkreis, vielleicht auch aus den USA, wo solche Zeichnungen sich unter Gläubigen größter Beleibtheit erfreuten.
Auf Conradi müssen wir näher eingehen: Er stammte ursprünglich aus Karlsruhe. Streng römisch-katholisch erzogen, wanderte er 1872 in die USA aus, wo er sich den Adventisten anschloss und auch deren Gründerin, Ellen G. White (1827-1915), kennen und schätzen lernte. Er kehrte nach Deutschland zurück und wurde von Hamburg aus einer der maßgeblichen Missionare der noch jungen Kirche. 1888 wurde Conradi Leiter der europäischen Division der Adventisten. In seinen Büchern in hoher Auflage machte er vor allem auch die Endzeitgedanken der Adventisten bekannt und stattete seine Schriften fast immer mit Bildern des Himmlischen Jerusalem aus, die er oftmals wiederverwendete.
1932 kam es zum Bruch mit den Siebenten-Tags-Adventisten, da Conradi den Status von Ellen White als Prophetin nicht länger anerkannte, nachdem er Auslassungen und angebliche oder tatsächliche Unregelmäßigkeiten in ihren Schriften entdeckt hatte, was 1931 zu seiner Absetzung von der Schriftleitung der Zeitschrift „Herold“ führte. Er verzichtete 1932 auf seine Pension und gründete mit mehreren tausend Adventisten „autonome Gemeinden“, die sich 1936 zu den Vereinigten Evangelischen Christen des Siebenten Tags zusammenschlossen. Die Gemeinschaft war vor allem in Deutschland, Polen und der Tschechoslowakei verbreitet, ging aber im Zweiten Weltkrieg unter.
Daniel Heinz: Ludwig Richard Conradi. Missionar, Evangelist und Organisator der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa, 3., aktualisierte und erw. Aufl., Frankfurt am Main 1998.