Pedro de Villafranca y Malagón (circa 1615-1684): Konzeption „Mystica Ciudad de Dios“ (1668) und Kopien (1680, 1684, 1694, um 1700, 1706, 1710)

Die Schrift „Mystica Ciudad de Dios“ („Die mystische Stadt Gottes“) erschien 1670 erstmals dreibändig in Madrid. Die Verfasserin des Buches, María de Jesús de Ágreda (1602-1665) war eine Visionärin und Äbtissin des Franziskanerinnenkonvents in der spanischen Ortschaft Ágreda. Der Druck war in Spanien und Neuspanien ein großer Erfolg und traf anscheinend genau die Frömmigkeitsbedürfnisse der Zeit. Es gab gegen Ende des 17. Jahrhunderts mehrere Nachdrucke, von denen einige auch Illustrationen des Himmlischen Jerusalem beinhalten. Zu Ende des 17. und Beginn des 18. Jahrhunderts wurde „Mystica Ciudad“ auch in Ölmalereien vertrieben. Es entstand ein eigenständiger Bildtyp, den man sofort als „Mystica Ciudad“ erkennt.

Auf dem Kupferstich des Frontispiz der 1670er-Ausgabe, welcher schon 1668 angefertigt worden war, ist das Himmlische Jerusalem deutlich an die Konzeption „Vitam Aeternam“ aus der Zeit um 1590 angelehnt. Es ist ein Entwurf des Meisters Pedro de Villafranca y Malagón (circa 1615-1684) aus Madrid, der von dem Stecher Martin umgesetzt wurde. Ihr Einfall war denkbar einfach wie überzeugend: Maria ist hier nicht von ihren Symbolen umgeben, sondern steht auf einer Mondsichel mitten in der Stadt Gottes. Im oberen himmlischen Bereich wird sie von Putti assistiert, im unteren Bereich beobachten Ordensleute zusammen mit Johannes auf Patmos die Himmelserscheinung.

 

Bald jedoch schon wurde die Konzeption etwas geändert, erstmals in der Ausgabe zehn Jahre später, also 1680. Diese Ausgabe wurde in Lissabon bei Miguel Manescal gedruckt. Vor allem die Stadt auf dem Frontispiz interessiert uns hier: Sie ist nicht mehr aus der Vogelperspektive als Quadrat gestaltet, sondern man sieht frontal auf ihre Außenmauern. An den beiden Seiten kragen die Mauern nach vorne, wie man es von zeitgenössischen Befestigungsanlagen kennt. An diesen Bastionen ist links und rechts ein reichlich verziertes Renaissance-Portal angebracht, mit dem zurückgesetzten Portal in der Mitte sind es an der Frontseite drei Zugänge. Bemerkenswert sind die vielgestaltigen Bauten hinter der Stadtmauer, wo auch der letzte freie Platz mit einem Dach oder einer Kuppel ausgefüllt wurde. Über der Stadt findet sich nach wie vor eine Marienfigur auf der Mondsichel, die hier schwanger zu sein scheint. Welcher Künstler diese Veränderungen vorgenommen hat, ob es vielleicht Pedro de Villafranca y Malagón selbst war, ist nicht bekannt.

 

Ein weiteres Beispiel ist die 1684 ebenfalls in Portugal erschienene Neuausgabe der „Mystica Ciudad“. Der Titel dieser Ausgabe lautet: „Mystica ciudad de Dios, milagro de su omnipotencia, y abismo de la gracia, historica divina, y vida de la Virgen Madre de Dios“. Die Ausgabe wurde in Lissabon gedruckt, wieder bei dem Verleger Miguel Manescal. Die Himmelsstadt ist auch hier, wie bei der Fassung von 1680, in das obere Drittel des Blattes gelegt. Die Grundkonzeption ist übernommen worden, aber es handelt sich um eine völlig neue Druckplatte. Neu sind auch die Zackenstrahlen der Gloriole um Maria, dann auch die lockigen Haare und natürlich die neue Kartusche, in welche unten der Buchtitel eingefügt wurde.

Zehn Jahre darauf folgte eine weitere Auflage. Das Frontispiz wurde neu gestochen, hält sich aber im Detail eng an die frühere Auflage von 1680. Nur für ein äußerst erfolgreiches Werk lohnte es sich, kurz hintereinander drei neue Frontispize anfertigen zu lassen. Diese anonyme Fassung findet sich in einem Band, der 1694 bei Ivan Jolis in Barcelona erschienen ist.

 

Die Erfolgsgeschichte von „Mystica Ciudad“ setzte sich im 18. Jahrhundert fort. Jetzt gibt es auch Ölmalereien, die aber die Stadt wieder wie in der Urfassung von 1668 in Quadratform zeigen. So kennen wir zwei Fassungen von Cristóbal de Villalpando (1649-1714), der die Konzeption barockisierte. Aus seiner Werkstatt kommt eine Malerei in Öl, die mit „Villalpando f.“ signiert ist. Villalpando präsentiert uns eine äußerst vielgestaltige Gottesstadt, zwischen die zwölf Tore schieben sich noch zwölf Rundtürme. In jedem der Tore, die alle offen stehen, hält ein Engel Wache. Dank der Perspektive kann man im Stadtinneren zahlreiche Bauten ausmachen, die sich zu vier großen Stadtvierteln zusammenfügen. Das 175 x 110 Zentimeter große Ölgemälde, entstanden um 1700, befand sich lange Zeit in Madrid (Alcalá Subastas) und wurde erst 2013 von dem Auktionshaus Christie’s versteigert.

 

Bekannter ist aber eine jüngere Fassung von Cristóbal de Villalpando. Dieses farbige Ölgemälde aus dem Jahr 1706 wurde anlässlich der Approbation des Klosters Guadalupe in Spanien angefertigt und befindet sich heute im dortigen Regionalmuseum. Mit Maßen von 189 x 114 Zentimeter ist es geringfügig größer als das Gemälde zuvor. Auch hier zieht die vielgestaltige Stadtanlage die Aufmerksamkeit auf sich, bei der sich einzelne Wohnbauten wie sogar einzelne Edelsteine unterscheiden lassen.

Patricia Andrés González: Iconografía de la venerable María de Jesús de Ágre-da, in: Boletín del Seminario de Estudios de Arte y Arqueología, 62, 1996, S. 447-464.
Juana Gutiérrez Haces, Pedro Ángeles, Clara Bargellini, Rogelio Ruiz Gomar: Christóbal de Villalpando, ca. 1649-1714, Mexiko-Stadt 1997.
Antonio Rubial García: Civitas Dei et novus orbis. La Jerusalen celeste en la pintura de nueva Espana, in: Anales del Instituto de Investigaciones Estéticas, 20, 72, 1998, S. 5-37.
Ricardo Fernández Gracia: Iconografía de sor María de Agreda. Imágenes para la mística y la escritora en el contexto del maravillosismo del Barroco, Pamplona 2003. 

 

Zufall oder Fügung, um diese Zeit entstand noch eine weitere Malerei zum Thema. Diese Fassung als Ölgemälde der „Mystica Ciudad“ stammt ursprünglich aus dem Kloster Santa Maria Magdalena des Ortes Cuitzeo in der Region Porvenir, Méxiko. Der anonyme Maler schuf dieses Werk, dem man Titel wie „Defensa Inmaculista“ oder auch „Imaculada Conceição ladeada por São Francisco de Assis, São Evangelista e Santa Beatriz de Silva“ gegeben hat, wohl kurz nach 1706 bereits im Rokokostil. Der Bildaufbau ist wieder deutlich der Urfassung angeglichen, doch anstatt eines klassizistischen Himmlischen Jerusalem erscheint hier eine Stadt, die in lodernden, bewegten Flammen zu stehen scheint: Die Linien haben sich aufgelöst, barocke Schwünge und eine neue Dynamik kennzeichnet die Stadtdarstellung. Anhand dieses Charakteristikums sollte es zukünftig gelingen, den Maler dieser durchaus qualitätvollen, akademisch geschulten Arbeit herauszufinden, die sich heute im Museum für Kunst und Religion in Santa Mónica, Puebla (Mexiko) befindet.

 

Um etwa 1710 entstand eine etwas andere Ölgemälde zu dem Thema, im Format 100 x 80 Zentimeter. Es befindet sich heute in einer Madrider Privatsammlung. Auf dem Gemälde wird links die Nonne María de Jesús de Ágreda an ihrem Schreibtisch gezeigt. Ihr Blick richtet sich nach hinten zur der Erscheinung in ihrem Zimmer: Gott Vater über den Wolken segnet dort eine Marienfigur. Diese schwebt inmitten des Neuen Jerusalem. Unten gehört noch ein Drache und das Wappen der Familie Coronel, aus der María de Jesús de Ágreda, stammte, zu dem Bildaufbau. Im Gegensatz zu den bekannten Kupferstichen und den angeführten Malereien ist diese späte Fassung einfacher gehalten. So ist die gesamte Stadt in einen einheitlich violetten Ton getaucht, auf ein buntes Edelsteinfundament wurde verzichtet. Die offenen Tore lassen erkennen, das sie mit Wächterengeln besetzt sind. In der Stadt lassen sich keine Bauten unterscheiden, da die Häuser mit breiten Pinselstrichen lediglich markiert wurden. Da sie eine weiße Farbe haben, entsteht der (ungewollte?) Eindruck eines Friedhofs mit weißen Grabsteinen. Die geraden Wege erinnern jetzt an die Einteilung in verschiedene Grabfelder. Wo man Christus in der Stadtmitte vermutet, schwebt Maria auf einer Mondsichel. Von ihr, nicht von der Stadt, geht das göttliche Licht aus. Obwohl in letzter Zeit zwei Fachaufsätze allein zu diesem Ölgemälde erschienen sind, welche die motivischen Vorbilder und den vermutlich jüdischen Hintergrund der Nonne beleuchten, bleiben die wichtigsten Fragen zu diesem Bild ungeklärt: Wer war der Maler, wer der Auftraggeber, in welcher Sammlung konkret befindet sich dieses Gemälde heute und wie gelangte es dorthin? Nur wenn dies beantwortet ist, können andere Wissenschaftler ihre Forschungen fortsetzen und die historische Authentizität dieses Werkes prüfen – es bedarf einer Erklärung, weshalb ein so spezielles Gemälde quasi im Geheimen die Jahrhunderte überdauerte, dann auf einmal im Fokus der Fachwelt ist.

Patricia Andrés González: Iconografía de la venerable María de Jesús de Ágreda, in: Boletín del Seminario de Estudios de Arte y Arqueología, 62, 1996, S. 447-464.
Ricardo Fernández Gracia: Iconografía de sor María de Agreda. Imágenes para la mística y la escritora en el contexto del maravillosismo del Barroco, Pamplona 2003.
Benito Rodríguez Arbeteta: Una iconografía desconocida de la Venerable sor María de Jesús de Ágreda (I). La pintura y la iconología, in: Hipogrifo Revista de literatura y cultural del Siglo de Oro, 10, 1, 2022, S. 125-145.
Letizia Arbeteta Mira: Una iconografía desconocida de sor María de Jesús de Ágreda (II): corona de la familia Coronel, in: Hipogrifo Revista de literatura y cultural del Siglo de Oro, 10, 2022, S. 107-124.

 

tags: Spanien, Mystik, Portugal, Gegenreformation, Kupferstich, Ölmalerei, Vitam Aeternam, Franziskaner, Cristóbal de Villalpando, Auktion
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