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MS A 148: Codex Gigas (um 1230)

Um 1230 entstand im Benediktinerkloster Podlazice im östlichen Böhmen der „Codex Gigas“, der sich heute in der Bibliothek zu Stockholm befindet (MS A 148). Es ist einer, wenn nicht gar der umfangreichste mittelalterliche Codex überhaupt, daher kommt sein ungewöhnlicher Name „Gigas“, griechisch für „riesig“.
Inhaltlich kann er als eine Art mittelalterliche Enzyklopädie des Wissens gelten, in dem kaum Platz für Abbildungen war. Umso erstaunlicher ist es, dass unter den einst 320 Pergamentblättern auch eine ganzseitige Darstellung des Neuen Jerusalem aufgenommen wurde (fol. 289v). Sie findet sich direkt gegenüber einem Blatt mit der Wiedergabe der Teufelsstadt. Diese wurde nun derart bekannt, dass das Werk auch unter dem Namen „Teufelsbibel“ kursiert. Die Teufelsstadt ist fast interessanter als das Neue Jerusalem; sie gab zu einer hübschen Legende Anlass: Angeblich wurde das Werk von einem moralisch schwachen Mönch geschrieben, der die Mönchsregeln gebrochen hatte und dazu verurteilt wurde, lebendig eingemauert zu werden. Damit ihm diese Strafe erlassen werde, versprach er, zum Lobpreis des Klosters in einer einzigen Nacht ein Buch zu schreiben, das das gesamte menschliche Wissen enthalten sollte. Nahe Mitternacht erkannte der etwas naive Mönch, dass er diese Aufgabe nicht allein erledigen konnte und verkaufte dem Teufel seine Seele. Der Teufel vervollständigte problemlos das Manuskript in der geforderten Zeit, und der Mönch fügte das Bild des Teufels hinzu, um so auf den wahren Autor hinzuweisen.
Die himmlische Stadt entwickelt sich zwischen zwei hohen, leblosen Türmen zur linken und rechten Seite. Hinter insgesamt zehn Mauerstücken, die durchweg in Orange gehalten sind und mit unterschiedlich hohen Türmen versehen wurden, steht eine Fülle von Kirchen und profanen Gebäuden. Die gesamte Stadt ist unbewohnt, nirgendwo ist ein Mensch, ein Auserwählter, Heiliger, das Gotteslamm oder zumindest der Thron des Höchsten zu sehen. Die Darstellungsweise ist einzigartig; ist gibt keine Vorbilder und auch keine späteren Kopien.

Antonín Friedl: Český iluminovaný rukopis románský v Královské knihovně ve Stokholmu, Praha 1929.
Stanislav Bártl, Jiří Kostelecký: Ďáblova bible. Tajemství největší knihy světa, Prag 1993.
Ivan Hlaváček: The necrology of the Codex Gigas of Bohemia (Kungliga Biblioteket Stockholm MS A 148), in: David W. Rollason, Alan J. Piper, Margaret M. Harvey, Lynda Rollason (Hrsg.): The Durham ‚Liber Vitae’ and its context, Woodbridge 2004, S. 192-204.
Codex Gigas, the devil’s bible. The secrets of the world’s largest book, Prague 2007.

 

tags: Schwedische Nationalbibliothek, Codex, Hochhaus, Teufel, Mönch, Romanik, Mittelalter, Tschechien
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