Bodleian-Apokalypse (1250-1260) und Morgan-Apokalypse (1260-1270)

Das Bild der niederschwebenden Gottesstadt gehört zum Standardrepertoire fast jeder englischen Apokalypsehandschrift, so auch zu MS Auct. D.4.17 ) Bodleian-Apokalypse) der Bodleian Library in Oxford bzw. der Morgan-Apokalypse aus der Morgan Library & Museum in New York. Erstere ist zwischen 1250 und 1260 entstanden. Da in ihr die Abbildungen den lateinischen Text zur Johannesoffenbarung überwiegen, wird sie auch Bilderbuch-Apokalypse genannt, oder schlicht nach ihrem Aufbewahrungsort Bodleian-Apokalypse. Sie ist von Bedeutung, da sie eine direkte Vorlage für die Morgan-Apokalypse war, dann Vorbild für MS 19 und noch die späteren Blockbuch-Apokalypsen beeinflusst haben soll. Gerade die Repräsentation des Himmlischen Jerusalem aus der Bodleian-Apokalypse wurde mehrfach kopiert.

Auch die lateinische Handschrift Morgan-Apocalypse (Morgan Library, MS M 524), die zwischen 1260 und 1270 in London entstanden ist, zeigt auf drei Miniaturen ähnliche Darstellungsformen des Himmlischen Jerusalem, wobei lediglich die Kolorierungen leicht variieren (vgl. Bodleian-Apokalypse fol. 21v/Morgan-Apokalypse fol. 20v). Der beigefügte Text aus der Offenbarung des Johannes ist identisch. Die ersten beiden Illustrationen befinden sich auf der gleichen Seiten, einmal oben, dann unten (daher ist die Folio-Angabe ebenfalls identisch), die letzte Illustration mit dem Lebensfluss ist dann der folgenden Seite entnommen. 

Bei der Stadt (Bodleian-Apokalypse fol. 21v/Morgan-Apokalypse fol. 20v) wurden besonders die wertvollen Baumaterialien – Edelsteine und Perlen – hervorgehoben. Eigenständig und neu ist die Anordnung der roten, offen stehenden Stadttore in zwei übereinander gesetzten Reihen, wobei die Tore nicht streng symmetrisch gehalten sind, sondern leicht variieren. In dieser Reihung zeigt sie bereits das große Vorbild aller dieser englischen Apokalypsehandschriften, die Paris-Apokalypse. Links zeigt der Engel dem Johannes die Stadterscheinung. In seiner Hand befindet sich nicht der Stab zum Vermessen der Stadt, sondern, ebenfalls wie auf der Paris-Apokalypse und auf noch älteren Vorlagen, ein kleines Weihrauchfass.

Die dritte Jerusalems-Miniatur (Bodleian-Apokalypse fol. 22r/Morgan-Apokalypse fol. 21r) zeigt abschließend, wie der blaue Lebensfluss die neue Schöpfung befruchtet. Er entspringt einer Mandorla, in welcher Christus innig mit dem Lamm verbunden ist. Vorne ist auf dem Miniaturbau eine ornamentierte Himmelspforte zu finden, zur Freude der Franzosen in ihren Nationalfarben. Sie ragt bereits in den Dachbereich, da der niedrige Bau lediglich aus einem Sockelgeschoss und der Dachzone besteht, der ganze Mittelbereich ist weggefallen. Dafür zeigt sich auf dem Dach eine üppige Bepflanzung; hier sind es zwölf Blumen bzw. Früchte, von denen eine durch den Fluss verdeckt ist.

Henry Octavianus Coxe:The Apocalypse of St John the Divine. Represented by figures reproduced in facsimile from a MS. in the Bodleian Library, MS.Auct.D.4.17, London 1876.
Otto Pächt, Jonathan J. G. Alexander: Illuminated manuscripts in the Bodleian Library Oxford, 2, Oxford 1973.
Suzanne Lewis: The enigma of Fr. 403 and the compilation of a thirteenth-century English illustrated Apocalypse, in: Gesta, 29, 1, 1990, S. 31-43.
Claus Bernet: Gotik, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 30).

 

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