Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert entstand eine geschlossene Himmelspforte als Kupferstich im Rahmen der Darstellung „Tabernaculum Dei“. Das Tabernakel beinhaltete ursprünglich das jüdische Heiligtum, um ihn herum entstand der Tempel Salomon und später sind Vorstellungen vom Himmlischen Jerusalem aus der Tabernakel-Idee mit eingeflossen.
Der einfarbige Stich kommt auf eine Gesamtgröße von 52 x 39 Zentimeter, der Ausschnitt ist lediglich 7 x 4 Zentimeter klein. Diese Arbeit wurde von dem Italiener Gaspare (auch Gaspar) Crivellari herausgebracht, und zwar an seinem Wohnort Padua, der damals zur Republik Venedig gehörte. Es handelt sich um ein komplexes Flugblatt, das vor allem die Maria Immaculata und ihre Symbole gemäß der Lauretanischen Litanei zum Thema hat. Der Begriff „Tabernaculum Dei“ bezog sich inzwischen nämlich nicht länger auf das jüdische Heiligtum, sondern auf Maria.
Crivellari präsentiert uns eine römisch-klassische Pforte mit antiken Schmuckelementen, wie zwei dorische Säulen, einem gesprengter Segmentgiebel und einem Architrav mit durchgehender Profilierung. Die zwei Flügel der Pforte sind fest geschlossen, die zehn Felder der Tür mit jeweils einem Knauf verziert.
An beiden Seiten der Pforte sind ausladende Vouten angebracht, eine barocke Zutat des italienischen Meisters, über dessen Leben und Werk kaum etwas bekannt ist. Man kennt lediglich ein paar wenige Publikationen gedruckter Werke mit seinen Kupferstichen. Er war jedoch kein originärer Meister, sondern, wie man heute sagen würde, ein Plagiator. Bei diesem Detail kopierte Crivellari offensichtlich die Porta Clausa, also die geschlossene Himmelspforte, die der niederländische Kupferstecher Cornelius (Cornelis) Cort im Jahr 1567 zuvor in Dresden herausgebracht hatte. Diese ist zwar etwas gedrungener, zeigt aber ebenfalls die hier beschriebenen Schmuckelementen und eine geschlossene Kassettentür. Ebenso kommen Zwischenstufen von Raphael de Mey und Johann Bussemacher (um 1590) oder auch noch von Raphael Sadeler (um 1602) als Vorlage für Crivellari in Frage.
Claus Bernet: Barock und Rokoko, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 31).