Freskofragment aus Vadum (1425-1450)

Das einst übertünchte und später teilfreigelegte Himmlische Jerusalem ist heute in der romanischen Dorfkirche von Vadum in der norddänischen Region Salling auf Jütland nur noch vage zu erkennen. Über das ursprüngliche Aussehen ist wenig bekannt, da 1927 das Archiv der Kirchengemeinde bei einem Brand unterging. Große Partien im unteren Bereich sind lediglich in Umrisszeichnung angedeutet. Auf der vorderen rechten Wandseite hat sich eine Darstellung des Jüngsten Gerichts befunden. Die Malereien zogen sich ursprünglich als Band um den gesamten Innenraum; die Bögen und die Fenster wurden erst später hinzugefügt, haben die Malerei separiert und teilweise zerstört. Gesichert ist, dass die obere Hälfte mit biblischen Motiven besetzt war, die untere Hälfte zeigte einen Illusionsvorhang, der an den Tempel in Jerusalem erinnern soll.

Sicher scheint, dass das Himmlische Jerusalem als eine vieltürmige Dachlandschaft in dunklen rötlichen und blauschwarzen Farben gestaltet war, was traditionell die Farben der Stadt Jerusalem waren. An den Filialtürmen, typisch für die Mode des frühen 15. Jahrhunderts, kann man die Malerei zeitlich genauer bestimmen, vgl. ein Weltgericht aus Burgos oder eines aus der Ukraine. Außergewöhnlich ist eine breite und opulenten Prunktreppe, die fast schon an eine Himmelsleiter denken lässt – nur die Fresken der Kirche in Bringstrup auf der dänischen Insel Sjælland (um 1460) bieten später einmal einen ähnlichen Zugang. Vermutlich war die Treppe auch in Vadum einst mit Geretteten besetzt, die der heute nicht mehr erkennbaren Himmelspforte am Hauptturm zustrebten. Etwas geheimnisvoll, weil nicht erklärbar, ist der gewaltige Keil, der spitz etwa in der Mitte der Treppe ansetzt. Es könnte ein militärisches Schild gewesen sein, jedoch nicht das des Engels Michael in seiner Funktion als Seelenwäger, denn dieser ist auf der gegenüberliegenden Wandseite dargestellt. Gemeindemitglieder vor Ort sind der Ansicht, dies sei das Fragment eines Flügels, der zu einem Engel gehört.
Unter der Stadtdarstellung hat sich der Lebensfluss befunden. An seinem Ufer ist ein eigenartiger Wald aus Nadelbäumen oder Blattpflanzen eingezeichnet, die sich schematisch aneinander reihen und wie ein Zaun oder ein Gatter wirken. Die Dachtürme dieser Himmelsburg, die herzförmigen Pflanzenblätter im Vordergrund zusammen mit dem gefärbten Ornamentband unten lassen die Malerei ziemlich sicher in das zweite Viertel des 15. Jahrhundert datieren.

Olaf Brusch: Vadum kirke, Aalborg 1981.
Claus Bernet: Das Neue Jerusalem in Skandinavien, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 23).
Vadum church, Aalborg, um 2020.

 

tags: Fragment, Jütland, Dänemark, Fresko, Chor, Leiter, Himmelsburg
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