Louis E. Conradi (1885-1967): „Der Weg des Lebens“ (1907)

Louis Eugen Conradi (1885-1967) war der Sohn von Ludwig Richard Conradi (1856-1939) einem bedeutenden Adventisten und Missionar in Deutschland. Schon als Jugendlicher beschäftigte er sich autodidaktisch mit Malerei, Zeichnen und auch Schriftstellerei. Später studierte er Medizin und wurde in Berlin-Zehlendorf Leiter des dortigen adventistischen Krankenhauses Waldfrieden, welches noch heute (Stand 2025) in Betrieb ist. Über Jahre hinweg machte Conradi aus dem Haus eine angesehene Klinik und ein Sanatorium für Ernährung und gesunde Lebensführung, die vor allem in den 1920er Jahren florierte. In seiner Freizeit beschäftige er sich zeitlebens mit Öl- und Aquarellmalerei; bis heute lassen sich auf Auktionen und im Internet immer wieder seine Werke aus unterschiedlichen Schaffensphasen finden, überwiegend Landschaftsmalereien, Stillleben, aber auch Architekturzeichnungen von Baudenkmälern aus Breslau, Schwerin, Hamburg und Köln. Über 45 Arbeiten, freilich in unterschiedlicher Qualität, die vielleicht auch nie für die Öffentlichkeit gedacht waren, sind inzwischen bekannt geworden. Das Ölgemälde „Der Weg des Lebens“ war viele Jahre im Besitz des Adventistenverlages in Hamburg. Erst nach der politischen Wende und Wiedervereinigung wurde es im Jahr 2005 der Adventistengemeinde von Friedensau (Sachsen-Anhalt) geschenkt und fand einen neuen Hängungsort in der dortigen Kulturscheune.

Louis Eugen Conradi hielt sich bei dieser Malerei eng an die adventistische Lithographie „Christ, the Way of Life“, dem vielleicht bedeutendsten Kunstwerk dieser Glaubensgemeinschaft. Im Jahr 1883 hatte Ellen G. White (1827-1915), die Mitbegründerin der Adventisten, zusammen mit ihren Söhnen Edson (1849-1928) und Willie (1854-1937) eine biblische Bildkonzeption entworfen, die unter dem Kürzel „Christ, the Way of Life“ in dieser Gemeinschaft, aber auch darüber hinaus, vor allem in den USA, bekannter werden sollte. Es handelte sich um einen weitläufigen und technisch durchaus gekonnt dramatisch gehaltenen Kupferstich, dessen originale Druckplatten sich in den USA erhalten haben. Es ist kaum bekannt, dass nach der Lithographie in Deutschland eine frühe Ölmalerei angefertigt wurde. Der junge Conradi brachte die einfarbige Zeichnung in ein farbiges Ölgemälde und verwendete viel Mühe mit einem detaillierten Neuen Jerusalem. Dieses Himmlische Jerusalem befindet sich auf dem Gemälde oben rechts – ganz entgegen der Tradition der spätantiken oder mittelalterlichen Weltgerichte, auf denen die Stadt fast immer links zu sehen ist. Sie besteht bei Conradi deutlich aus zwei Zonen: Unten ist das Haupttor mit der Stadtmauer gesetzt, davon getrennt oben Bauten der Himmelsstadt und dazwischen gleißend weißes Licht, das weitere Einblicke unmöglich macht. Durch die untere horizontale Zone und die Betonung der Vertikalen durch die Türme in der oberen Zone erzeugte Conradi bei der Stadtdarstellung einen überraschenden Spannungsbogen, der eine Kenntnis des traditionellen Bildaufbaus, wie er in Akademien und Kunstschulen gelehrt wurde, vermuten lässt.

 

tags: Ludwig Richard Conradi, Adventisten
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