Louis Eugen Conradi (1885-1967) war der Sohn von Ludwig Richard Conradi, einem bedeutenden Adventisten und Missionar in Deutschland. Als Jugendlicher beschäftigte er sich mit Malerei und Schriftstellerei. Später studierte er Medizin und wurde in Berlin-Zehlendorf Leiter des adventistischen Krankenhauses Waldfrieden. Über Jahre machte er aus dem Haus eine Klinik und ein Sanatorium für Ernährung und gesunde Lebensführung. Das Ölgemälde war viele Jahre im Besitz des Adventistenverlages in Hamburg. 2005 wurde es der Gemeinde Friedensau (Sachsen-Anhalt) geschenkt und fand einen neuen Hängungsort in der dortigen Kulturscheune.
Louis Eugen Conradi hielt sich eng an die adventistische Lithographie „Christ, the Way of Life“: 1883 hatte Ellen White zusammen mit ihren Söhnen Edson (1849-1928) und Willie (1854-1937) eine biblische Bildkonzeption entworfen, die unter dem Kürzel „Christ, the Way of Life“ bekannt werden sollte. Es handelte sich um einen weitläufigen und dramatisch gehaltenen Kupferstich, dessen Platten sich in den USA erhalten haben. Es ist kaum bekannt, dass nach der Lithographie in Deutschland eine frühe Ölmalerei angefertigt wurde. Conradi brachte die einfarbige Zeichnung in ein farbiges Ölgemälde und verwendete viel Mühe mit einem detaillierten Neuen Jerusalem. Das Himmlische Jerusalem befindet sich auf dem Gemälde oben rechts – ganz entgegen der Tradition der spätantiken oder mittelalterlichen Weltgerichte, auf denen die Stadt links zu sehen ist. Sie besteht deutlich aus zwei Zonen: Unten das Haupttor mit der Stadtmauer, oben Bauten der Himmelsstadt und dazwischen gleißendes Licht, das weitere Einblicke unmöglich macht. Durch die untere horizontale Zone und die Betonung der Vertikalen durch die Türme in der oberen Zone erzeugte Conradi bei der Stadtdarstellung einen überraschenden Spannungsbogen – der Maler hatte Talent; ob er später auch als Mediziner künstlerisch arbeitete, ist nicht bekannt.