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Paul Corazolla (1930-2018): Glaswand aus St. Altfrid in Hildesheim (1977)

Die Form der römisch-katholischen St. Altfridkirche in Ochtersum, eine moderne Siedlung am Stadtrand von Hildesheim, ist ein langgezogenes Sechseck mit schwarzem Zeltdach aus Kunstschiefer. Blickfang ist das farbige Bleikristallfenster der Nordfront in kräftigem Blau und Rot. Angefertigt wurde die Glaswand zusammen mit dem Neubau 1977 nach einem Entwurf des Glaskünstlers Paul Corazolla (1930-2018), einem Schüler von Karl Hofer, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff. Gegossen wurde sie in Berlin bei der Glasmanufaktur Schulze & Jost.

Corazollas Glasfenster, die man ansonsten in Berlin und im Ruhrgebiet findet, sind hochgradig abstrakt, besitzen aber figurative Restelemente. Das ist auch bei St. Altfrid der Fall. Hier bedient sich der Künstler der Pop-Art, was in den 1970er Jahren das Modernste war, was man wagen konnte – es ist bemerkenswert, das das Bistum Hildesheim den Mut zu dieser Ausgestaltung hatte, ansonsten wurde auch hier noch traditionell-figürlich gearbeitet (Bokeloh). Damals gab es Proteste, heute steht das Bauwerk als Beispiel für die Kunst der 1970er Jahre unter Denkmalschutz. Stilistisch dürfte es das einzige Glasfenster mit dem Jerusalems-Motiv in Pop-Art sein, auch wenn der Künstler das Fenster nicht diesem Stil zugehörig empfand und 2002 dazu schrieb „Jedes Fenster entsteht zunächst im Raum mit seinen spezifischen Gegebenheiten, seinen Proportionen und Lichtverhältnissen. Die Frage, ob ich für einen Neubau plane, für ein Krankenhaus oder eine Dorfkirche ist entscheidender als stilistische Überlegungen. Als die Planungen für Hildesheim begannen, war ich in Berlin mit einer Arbeit für ein Krankenhaus (Falkenhagener Feld) beschäftigt. (…) Die dortigen Erfahrungen an der Glaswand kamen mir in Hildesheim zu Gute, nachdem Pater Janssen (damaliger Bischof von Hildesheim) eine ähnliche Gestaltung wünschte – allerdings nur der Form, nicht dem Inhalt nach. Die Motive lagen in alleiniger Verantwortung der Ortsgemeinde. Schon 1975 erhielt ich ein Schreiben mit ihren Vorstellungen, an die ich mich genau gehalten habe“.

Bei der Ausarbeitung bezog sich Corozolla auf das 21. Kapitel der Apokalypse und zeigt die Tore der Stadt. Im oberen Bereich dominieren blaue, im unteren violette und rote Farbtöne, die ineinander übergehen und die Wand von der Decke bis zum Boden in einer Lichtsymphonie erstrahlen lassen. In beiden Farbbereichen finden sich wülstige, breite Rundbogentore. Dazwischen und am Rande der Tore sind immer wieder Kreise zu finden, die die Form der zeitgenössischen Beleuchtung aufnehmen.

Erzbistum Berlin (Hrsg.): Paul Corazolla. Glasfenster, Arbeiten auf Papier, Texte, Regensburg 2000.
Claus Bernet: Kirchenfenster und Glasarbeiten, Teil 3, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 26).

 

tags: Popart, Hildesheim, Fensterwand
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