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Tympanon der Kathedrale von Léon (um 1270)

Die gotische Kathedrale der spanischen Stadt Léon besitzt ein Tympanon aus Sandstein, welches für die Skulptur der „weißen Madonna“ am Trumeaupfeiler berühmt ist. Gleichzeitig zeigt dieses Tympanon auch eine Gerichtsdarstellung. Das Relief ist um das Jahr 1270 entstanden, die Figuren sind überaus tiefenräumlich, beinahe freiplastisch. Sie sind, auch Dank eines Baldachins, gut erhalten und gelten als Weiterentwicklung der französischen Gotik, die jetzt in Spanien Einzug hält. Diese kannte man hier gut, denn die Kirche war eine wichtige Station auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela und wurde von zahlreichen Pilgern aus Frankreich aufgesucht, darunter sicher auch von solchen, die hier vor Ort von den französischen Kathedralen schwärmten. Konkret konnte man Einflüsse der Kathedrale von Chartres nachweisen. Umgekehrt, und das wird selten erwähnt, gelangten von den rückkehrenden Pilgern auch Einflüsse aus Spanien in das östliche Europa und müssten einmal näher untersucht werden.
Die linke Seite, wiederum ganz links, zeigt eine kleine, weit geöffnete Himmelspforte, hinter der der Heilige Petrus steht. Gerade bückt sich vor ihm ein Papst, um als erster in die schützende Stadt hineinzugelangen. Er sollte besser einmal seine teure Tiara abnehmen, die wird er vermutlich im Himmelreich nicht mehr benötigen. An zweiter Stelle sieht man einen König mit Krone und Bart, weitere mittelalterliche Ständevertreter folgen ihm. Leider sind hier Figuren beschädigt, so dass eine Bestimmung nicht immer möglich ist. Erhalten hat sich zum Glück ein Orgelspieler vor einem (singenden?) Engel – ein auf einem Tympanon einzigartiges Detail mittelalterlicher Musikfreude. Damit eröffnet die Traditionslinie der Himmelsmusik, bald sollte kein Neue Jerusalem mehr ohne Posaune, Laute oder andere Instrumente gezeigt werden, bekannte weitere Beispiele wären: die Wandmalerei der Abtei Sainte-Marie, Lagrasse (1280-1309), das Engelsorchester der Lorscher Torhalle (1300-1350), die Renaissancedarstellung aus Santa Maria Piano in Loreto Aprutino (um 1520).

Rosa Maria Sánchez: Die Kathedrale von Leon, Barcelona 1999.
Máximo Gómez Rascón: Catedral de León, Leon 2000.
Natascha Kubisch: Der Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Unterwegs zu Kunst und Kultur des Mittelalters, Darmstadt 2002.
Claus Bernet: Denkmalschutz, Denkmalpflege und UNESCO-Weltkulturerbe, Norderstedt 2020 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 47).

 

tags: Pilger, Leon, Spanien, Tympanon, Gotik, Himmelspforte, Torszene
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