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Pieter Mortier (1661-1711): Mortierbibel (1700) und Kopien

Leider ist der Künstler dieses interessanten Kupferstichs kaum bekannt. Der Stich findet sich zwischen den Seiten 144 und 145, in der Bibelausgabe „Historie des Ouden en Nieuwen Testaments, verrykt met meer dan vierhonderd printverbeeldingen“ von David Martin (1639-1721), die der Pariser Pieter Mortier (1661-1711) im Jahre 1700 in Amsterdam herausbrachte. Nach ihm wird das Werk als Mortierbibel bezeichnet. Arbeiten ganz unterschiedlicher etablierter Künstler, wie Bernard Picart, Jan Luyken und Gerard Hoet – nur um einige zu nennen – wurden für die 428 Abbildungen herangezogen.
Es gibt kolorierte und unkolorierte Fassungen. Eigentlich handelt es sich um zwei zusammenhängende Perspektiven auf die Stadt: „Joannes ziet het nieuwe Jeruzalem“ zeigt sie aus der Vogelperspektive, wie sie Johannes links auf dem Felsen von dem Engel gezeigt wird. Johannes ist durch sein leuchtend rotes Gewand schnell zu erkennen. Inmitten der goldfarbenen Stadt erhebt sich der ins groteske gesteigerte Zionsberg mit dem Lamm Gottes, und von hier geht ein gewaltiges Licht in die Umgebung, das die Welt innerlich wie äußerlich erleuchtet und die Sonne wie auch andere Lichtquellen überflüssig macht. Zu dem Zentrum streben alle Straßen, worin man das absolutistische Herrschaftsprinzip visuell umgesetzt sehen kann. Der neue Stadtgrundriss ist ein innovativer Beitrag, der bald andere Arbeiten mit beeinflusste, von Johann Ulrich Kraus‘ Bilderbibel bis zu Gabriel Hechts Festschrift für die Benediktiner.

 

Darunter befindet sich eine zweite Zeichnung: „De boom des leevens“ („Der Baum des Lebens“). Nun befinden wir uns in der Stadt und blicken auf klassizistische Architekturen. Große Freiflächen befinden sich vor den prachtvollen Fassaden. Zwei Bäume stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Rechts der Baum der Erkenntnis, der den Menschen viel Gutes und Schlechtes gebracht hat. Links davon befindet sich ein weiterer Baum, auf den einige der Bewohner zustreben: Der Baum des Lebens, der im Himmlischen Jerusalem die ewige Seligkeit ermöglicht. Zwischen den beiden Bäumen zieht der Fluss des Lebens vorbei. Auch in diesem Bild ist wieder das Lamm auf dem Zionsberg zu sehen, welches alles überstrahlt und von welchem der Fluss seinen Ursprung nimmt.

Wilco C. Poortman: Bijbel en prent. Deel II. Boekzaal van de Nederlandse Bijbels, ’s-Gravenhage 1983. 

 

Eine Kopie aus der Mortierbibel ist diese Abbildung der Himmelsstadt aus der „Biblia das ist die ganze Heil. Schrift Alten und Neuen Testamentes“, die 1755 im mittelfränkischen Onolzbach im Verlag von Heinrich Gottlob Billing und Johann Jacob Endert erschienen war. „Onolzbach“ ist ein älterer, heute nicht mehr gebräuchlicher Name für Ansbach, in der es Dank der markgräflichen Residenz eine gewisse Kultur- und Kunstförderung gab, von der auch der Buchdruck profitierte.
Der oder die Künstler, die bei dieser protestantischen Bibelausgabe mitgewirkt haben, sind namentlich nicht bekannt. Der einfarbige Kupferstich auf Seite 287 fällt aber erheblich hinter sein gut ein halbes Jahrhundert zuvor erschienenes Vorbild zurück. Die Zeichnung wirkt wie hingewischt und in großer Eile produziert. Die Häuser der Stadt machen einen ungelenken Eindruck, als seien sie von einem Kind gezeichnet worden (was bei der damaligen Kinderarbeit im Druckgewerbe durchaus der Fall sein könnte), die Proportionen der Engelsfigur und des Johannes sind fehlerhaft (auf der Mortierbibel noch linksseitig, hier rechts). Auch ist der Zionsberg zu steil gesetzt; in ihn wurde auch noch ein schmaler Pfad eingezwängt, der fast senkrecht nach oben führt. Während beim Original auch Personen die Stadt bevölkern, sind hier die Stadtviertel leer. Einziges Lebenszeichen, neben dem Lamm mit der Siegesfahne und den Engeln in den Toren, ist ein kleiner Baum auf halber Strecke zwischen dem Haupttor und dem Zionsberg.

Johann Bernhard Fischer: Geschichte und ausführliche Beschreibung der Stadt Anspach, Anspach 1786.
Rudolf Merkel: Buchdruck und Buchhandel in Ansbach. Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Erlangen 1965.

 

tags: Jan Luyken, Barock, Amsterdam, Bibelausgabe, Niederlande, Pietismus, Bibelausgabe, Mittelfranken, Zionsberg, Kupferstich
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