Otto Adolph Stemler (1872-1953): Johannes auf Patmos (1949, 1983, 1990)

„Signs of the Times“ ist eine der führenden Zeitschriften der US-amerikanischen Adventisten. Sie wird von der Pacific Press Publishing Association seit 1874 herausgegeben, die dafür immer wieder adventistische Künstler beauftragte, das Himmlische Jerusalem ins Bild zu setzen. Darunter sind unbekannte Namen mit künstlerisch eher zweitrangigen Auftragsarbeiten bis hin zu einigen der einflussreichen und erfolgreichen amerikanischen Bibelillustratoren, wie Peter J. Rennings (1876-1966), Norman Brice (geb. 1988) oder Clyde N. Provonsha (1911-2006).
Eine populäre Illustration zum Thema wurde in der Zeitschrift „Advent Review and Sabbath Herald“ am 22.9.1949 als Cover veröffentlicht (Band 126, Nr. 38, S. 1). Es ist eine Zeichnung von Otto Adolph Stemler (1872-1953), die von Standard-Publications übernommen wurde. Ein Blick lässt erkennen, dass es sich um eine Neuinterpretation von Gustave Dorés Vorlage handelt. Sie zeigt Johannes auf Patmos, wie er die neue Stadt erblickt. Diese hat sich zwischen zwei Bergen herabgesenkt und gewährt Einblick in ein Meer antikisierter Gebäude.
Otto Adolph Stemler war zu diesem Zeitpunkt ein anerkannter Illustrator, er hatte an erfolgreichen religiösen Werken wie „The Transfiguration“, „Jesus and the Nations“ und „Paul Preaching at His Home in Rome“ bei der Bebilderung mitgearbeitet. Er wurde zwar 1872 in Cincinnati (Ohio) geboren, aber die Vorfahren Stemmler sind aus Württemberg eingewandert, es sollen fromme Pietisten gewesen sein.

 

Stemlers Illustration machte fast ein halbes Jahrhundert später eine überraschende Karriere. Eine zurückhaltend kolorierte Fassung erschien 1983 in einer russischen Kinderbibel von Borislav Arapović und Vera Mattelmiaki, die das Institut für Bibelübersetzungen in Stockholm herausbrachte. Dabei hat man der Johannesfigur (Seite 509) ein rotes Gewand gegeben, während Teile der Landschaft, die Wolken und die gesamte Stadt in einen einheitlichen Blauton getaucht sind. Dieser Ton ist jedoch hell genug, dass Einzelheiten wie Bäume, der Lebensfluss, die Stadtmauern oder die zahlreichen Bauten in der Stadt deutlich unterschieden werden können.

 

Eine etwas freiere Variante erschien kurz danach, um 1997, ebenfalls in einer Kinderbibel (101 beliebte Bibel-Geschichten, S. 213), von Deborah Hoerner, die später vor allem durch Aufnahme als Cover einer russischen Bibelausgabe bekannter wurde. Geblieben ist die Bildkomposition: Unten rechts die Johannesfigur, vor ihm das Wasser (hier weniger ein Fluss als vielmehr ein Meer), oben die Erscheinung der Stadt. Bei Johannes blieb gegenüber Stemler die Gestik und das rote Gewand gleich, Johannes wurde aber eine Schreibfeder in die Hand gedrückt. Geändert wurde vor allem die obere Bildhälfte. Die Stadt hat ihren nahöstlichen Charakter als Festung verloren und besitzt deutlicher die biblischen Merkmale des Himmlischen Jerusalems. So ist sie in einen Goldton getaucht, unten erkennt man das herausragende Edelsteinfundament. Darüber sieht man sechs der vermutlich zwölf Tore, von denen die Hälfte aufgrund der Perspektive nicht sichtbar ist. Vor der Stadt steht ein singulärer Baum mit zahlreichen roten Früchten. Dies ist der Baum des Lebens, dessen zwölf Früchte christliche Tugenden symbolisieren.

 

tags: Adventisten, USA, Kinderbibel, Russland, Kinderbuch, kartinkin.net, Deborah Hoerner
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