Marienanagramme (17. und 18. Jh.)

Dieser Ausschnitt zeigt die zwei Buchstaben R und A. Sie gehören zu einem Marienanagramm eines Flugblatts, welches der flämische Künstler Michael Snijders (1610-1672) um 1620 geschaffen hat. Das hiesige Blatt stammt aus den Sammlungen des Reichsmuseum in Amsterdam. In Folge wurde diese Ausführung mehrfach von Künstlern für andere Arbeiten herangezogen, vorzugsweise in Lateinamerika. Das Marienanagramm wurde eine beliebte Spielerei im Rahmen der bildnerischen Marienverehrung des Barock, hat aber mittelalterliche Wurzeln. Bereits in dem Werk „Omne Bonum“ wurde das Neue Jerusalem in eine Initiale gepackt, es gibt weitere Beispiele. Offensichtlich ist die Fassung von Snijders bezüglich des Mariennamens soetwas wie die Urfassung.

Die Idee ist einfach wie genial: Die Buchstaben sind aus zahlreichen Symbolen Mariens zusammengesetzt, drei davon stehen hier für das Neue Jerusalem. Der Buchstabe R zeigt ganz oben Häuser der Civitas Dei, der Buchstabe A zeigt oben rechts erst die Porta Cali (sic!), darunter die Porta Clausa (also die offene und die geschlossene Himmelspforte).

Walter Delius: Geschichte der Marienverehrung, München 1963.
Wolfgang Harms, Michael Schilling (Hrsg.): Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, 3, Tübingen 1989.

 

Bei diesem weiteren, jetzt farbigem Beispiel formen Mariensymbole die drei Buchstaben M, R und A. Die Civitas Dei bildet den oberen Abschluss des Buchstabens R, die offene und geschlossene Himmelspforte ist Teil des rechten Schenkels von Buchstabe A. Da die Positionen exakt wie bei Snijders sind, muss der Künstler dessen Arbeit gekannt haben, oder es gibt eine weitere Fassung, die verlorengegangen ist. Die drei Buchstaben bilden hier den mittleren Teil einer umfangreichen Immaculata-Darstellung mit den vier Kirchenvätern, die ein unbekannter Künstler 1673 angefertigt hat. Das Ölgemälde ist insgesamt 177 x 134 Zentimeter groß und Teil des Kirchenmuseums Santa Clara in Bogotá, Kolumbien.

 

Auch in einer Kirche in Deutschland gibt es ein Beispiel für das Marienanagramm. Die Stuckatur der Wallfahrtskirche Stettkirchen im Landkreis Amberg-Sulzbach (Oberpfalz) zeigt an der Decke das Marienanagramm „MRA“. Die Innenausstattung der Kirche wurde 1733 fünfzig Jahre nach der Belagerung von Wien durch die Türken (1683) geschaffen. Präsentiert wird auch die Kurfürstenkrone über dem Monogramm, denn der bayerische Herrscher war an der Befreiung Wiens beteiligt gewesen. Links ist der Buchstabe „R“ mit der Civitas Dei oben, rechts der Buchstabe „A“ mit der geschlossenen und offenen Himmelspforte.

Martin Liedl: Wallfahrt zu Unserer Lieben Frau in Stettkirchen, Stettkirchen 1983.
Walther Zeitler: Wallfahrt nach Stettkirchen, in: Altbayerische Heimatpost, 43, 4, 1991, S. 5. 

 

Dieses späte Marienanagramm „MRA“ stammt aus der Zeit um 1782. Die Malereien sind im manieristischen Stil sorgfältig ausgearbeitet, mit viel Liebe zum Detail. Es wurde von einem namentlich nicht bekannten Vertreter der Cusco-Malerschule in Peru angefertigt, im Rahmen eines insgesamt 168 x 112 Zentimeter großen Ölgemäldes. Dieses gehört heute der Peyton Wright Gallery in Santa Fe. Wie inzwischen eingespielt, zeigt der Buchstabe „R“ oben die Civitas Dei und der Buchstabe „A“ rechts die offene und die geschlossene Himmelspforte. Die Lichtquelle, die man bereits bei Michael Snijders‘ Fassung findet, wurde hier erneut aufgenommen, aber die konzentrische durch eine radiale Strahlung ausgetauscht.

Suzanne L. Stratton, Thomas B. Cummins, Marilynn Thoma: The virgin, saints, and angels, Stanford 2006.

 

tags: Bogota, Kolumbien, Wandmalerei, Barock, Renaissance, Anagramm, Oberpfalz, Bayern, Cusco-Malerschule, Peru, Ölgemälde, Wallfahrtskirche
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