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Weltgerichtsikone aus der Tretjakow-Galerie in Moskau (um 1450), Kopien aus Pskow (1547), 19. Jh., sowie in in Beit HaGalil (2000) und Colorado Springs (2002)

Eines der bekanntesten und auch ältesten Beispiele einer russischen Weltgerichtsikone zeigt das Neue Jerusalem auf der linken, oberen Seite eines Jüngsten Gerichts. Im unteren Bereich sind Gruppen von Heiligen zusammengestellt. Alle sind in weiße Gewändern gekleidet. Darüber ist eine Architektur gesetzt, die die Kenntnis oberitalienischer Bauten der Lombardei verrät. In der Mitte befindet sich ein leerer Thron mit einem hoch gespannten Baldachin – ein Platz, der Christus vorbehalten ist.
Das Werk im geometrischen Stil ist eine Ikone aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und hat eine Größe von insgesamt 162 x 115 Zentimeter. Das Himmlische Jerusalem ist davon lediglich ein Ausschnitt der oberen linken Seite, etwa 40 x 70 Zentimeter. Als Teil der Sammlung von A. V. Morozov kam die Malerei 1920 in die Tretjakow-Galerie nach Moskau. Der Maler aus der Nowgoroder Schule ist bis heute namentlich nicht nachgewiesen. Im Laufe der Jahrzehnte wurde durch Ausstellungen und Forschungen diese Ikone immer bekannter. Es gibt immer wieder moderne Kopien, die man in orthodoxen Kirchen der ganzen Ostkirche finden kann.

Michail V. Alpatov: Colour in Early Russian Icon Painting, Moskau 1974.
Michail V. Alpatov: Drevnerusskaja ikonopis‘. Early Russian Icon Painting, Moskau 1978.
Vera K. Luarina, W. A. Puschkarjow (Bearb.): Nowgoroder Ikonen des 12. bis 17. Jahrhunderts, Leningrad 1981.
Kurt Weitzmann, Wilhelm Nyssen: Die Ikonen, Freiburg im Breisgau 1981.
В. Н. Лазарев: Русская иконопись от истоков до начала XVI века, Искусство 2000.

 

Eine ähnliche Darstellungsweise zeigt die Pskower Ikone von 1547 aus dem Museum der gleichnamigen russischen Stadt. Die Pskower Ikone zeigt eine Weltgerichtsdarstellung aus der russisch-orthodoxen Kirche des Heiligen Bories aus Nowgorod. Die Ikone ist mehrfach beschädigt, so auch am Himmlischen Jerusalem an der rechten oberen Seite (bei den Seitentürmen). Gut zu erkennen ist jedoch das markante Kreuz mit dem aufgesetzten Baldachin. Der Ausschnitt zeigt unten sieben russisch-grün gefärbte Arkaden mit zahlreichen Heiligen in Gruppen. Darüber sind vier verschiedene Architekturkompartimente gesetzt. Ein Zugangstor oder Engel, die weiteren Ankommenden in die rettende Stadt helfen, sind auf dieser Ikone nicht vorgesehen.

Eine spätere Kopie dieses Ikonentyps hat sich aus dem 19. Jahrhundert erhalten. Die Malerei basiert auf Eitempera auf Kreidegrund und hat die Maße von 129 x 98 Zentimeter. Dort ist das Himmlische Jerusalem oben links nur ein kleiner Ausschnitt, glücklicherweise frei von Verzerrungen des Holzes, Abrieb, Farbabplatzern und Retuschen, worunter gerade die restliche Malerei leidet. Das Werk ist in Russland entstanden, stand dann 2023 in Krefeld zur Auktion an. Im Gegensatz zum mittelalterlichen Original wurde der rote Solitärturm links außen durch zwei identische grüne Paralleltürme ersetzt, wie es auf frühneuzeitlichen Ikonen beliebt war.

 

Von dem Ikonentyp gibt es eine moderne Interpretation in Beit HaGalil (Israel) aus dem Jahr 2000. Dort steht das „Domus Galilaeae“, ein Zentrum der römisch-katholischen Bewegung „Neo-Katechumenaler Weg“. Hier können angehende Priester ihre Ausbildung vollenden, bevor sie ordiniert werden und von hier in die Welt geschickt werden. Geschaffen wurde die Ikone von Kiko Argüello (eigentlich Francisco José Gómez Argüello Wirtz, geb. 1939), einem spanischen Kunstmaler. Diese farbintensive Kopie in Gelbtönung ist heute in der Westkirche fast ebenso bekannt wie das russische Original. Das Bild belegt, wie genau der Künstler sich an das Original gehalten hat. Alle Bauten des Himmlischen Jerusalem sind wiederzufinden, in ganz ähnlichen Formen und Farben wie auf dem Original, lediglich glänzender, wie einst auch die Urfassung vor 500 Jahren einmal geglänzt hat.

 

Seit 1989 sind zahlreiche orthodoxe Gläubige aus Osteuropa nach Kanada oder in die USA ausgewandert und haben dort auch neue Kirchen und Klöster gegründet, deren Bauten in Anlehnung an den Ikonenstil ihrer Heimat gestaltet wurden. Eine zentrale russisch-orthodoxe Kirche ist die Holy Theophany Orthodox Church in Colorado Springs im gleichnamigen US-Bundesstaat. Dort fertigte Michael Greer durch das von ihm gegründeten Greer-Studios in Cascilla (Mississippi) im Jahre 2002 das Altarbild an. Die Bildmotive wurden sehr genau übernommen, die Ausführung besitzt ebenfalls noch den typischen Glanz moderner Arbeiten, da sie noch nicht über Jahrhunderte gealtert ist. Die Kopie grenzt den Bereich des Himmlischen Jerusalem durch einen eigenen schmalen und schräg gesetzten Flügel an der linken Seite vom übrigen Ikonenbildnis klar ab. Alles ist verengt, lediglich zwei Arkaden haben Platz gefunden, und Jerusalem ist durch den typischen Kreuzbau darüber repräsentiert, in dem – ganz klein und leicht zu übersehen – der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis zu sehen sind (wie ja übrigens auch auf dem mittelalterlichen Original!). Die Architektur ist plastisch profiliert, der Bau verjüngt sich nach oben und ist von einem violetten Baldachin überspannt. Darunter haben sich in den zwei Arkaden stehende männliche Heilige in weißen Gewändern versammelt, von denen einer durch Kopfbedeckung und ein Gewand mit einer roten Bordüre hervorgehoben ist; weitere Heilige sitzen und stehen im Mittelteil rechts.

 

Textbild: someone10x, Domus Galilaeae 4660 (11871373095), CC BY 2.0

tags: Tretjakow-Galerie, Moskau, Ikone, Weltgericht, Russland, Kopie, Israel, Antikauktion Krefeld
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