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Katholische Vulgataausgaben (1573 und 1576)

1573 erschien eine neue Vulgataausgabe, die „Biblia, ad vetustissima exemplaria nunc recens castigata“, von der auch kolorierte Ausgaben auf den Markt gebracht wurden. Sie war als Fortsetzung der Löwener Ausgabe, herausgebracht 1547 von der dortigen theologischen Fakultät, gedacht. Das Werk der Reformationszeit enthält eine Vorrede des Dominikaners Johannes Hentenius (1500-1566), dem Herausgeber dieser Bibelausgabe, der sich eng an Robert Estiennes Vulgataausgabe von 1538/40 hielt. Vertrieben wurde sie von Guillaume Rovillé (1518?-1589), der das Werk in Leiden herausbrachte.
Schon im Titel wird damit geworben, dass man die Ausgabe mit „elegantissimis figuris“ ausgestattet habe. Leider ist nicht angegeben, wer diese „höchst eleganten Illustrationen“ angefertigt hat. In der Tat findet sich hier ein neuer, frischer Holzschnitt auch zum Himmlischen Jerusalem. Ob er als elegant bezeichnet werden darf, muss jeder Betrachter für sich entscheiden. Die Stadtdarstellungen nach Dürer und Lemberger, die Jerusalem als verwinkeltes Städtchen repräsentierten, hatten sich überholt. Gefragt waren systematische Darstellungen einer nach dem Reißbrett entworfenen Idealstadt, was hier auf die Spitze getrieben wurde. Wurde über das ganze Mittelalter hinweg auf Gerichtsbildern mit den Standesvertretern auf die Unterschiede und Hierarchien im Jenseits verwiesen, wohnen jetzt auf einmal alle gleich. Die tiefer liegende Stadt auf Seite 1213 ist rechteckig, möglicherweise quadratisch und durchgängig von einer zinnenbekrönten Mauer umzogen. Unterbrochen wird die Mauer durch vier Doppeltoranlagen, die sich jeweils gegenüberliegen. In diesen finden sich offenbar vier Engel, allerdings ohne Flügel. Zwischen den Doppeltoranlagen findet sich einmal eine breite Straße, ein andermal ein Fluss oder Kanal, über den zwei Brücken führen. Links und rechts zu den Seiten der Straße und des Flusses liegen giebelständige, kleine einstöckige Wohnbauten. Ungewöhnlich sind die vier traufständigen Bauten direkt unter dem Fels, die wie Einfamilienhäuser einer Siedlung der 1950er Jahre wirken.

 

Nach drei Jahren, 1576, wurde dieser Ausgabe in Venedig ein völlig neuer Stich in einem veränderten Format beigegeben (S. 792). Die Figuren Johannes und der Engel sind von der rechten auf die linke Seite gewandert, die Stadt hat giebelständige Bauten, die extrem eng aneinander gesetzt sind. Diese Fassung wurde aus Sebald Behams „Typi in apocalypsi“ von 1539 abgekupfert, das sich als Vorlagenbuch auch bei Katholiken großer Beliebtheit erfreute.

 

tags: Vulgata, Holzschnitt, Kupferstich, Gegenreformation, Sebald Beham, Cinquecento
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