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Matthias Hafenreffer (1651-1619), Johann Valentin Andreae (1586-1654): Tempel Ezechielis (1613)

Württemberg war in den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg ein Zentrum der protestantischen Gelehrsamkeit und der Pseudogelehrsamkeit. Endzeitliches Interesse, befeuert durch Krieg und Hungersnöte, ließ die Menschen immer wieder mit dem Himmlischen Jerusalem beschäftigen, wenngleich auch die offizielle Kirche dem chiliastischen Thema mit Zurückhaltung gegenüber stand. Es war aber möglich, endzeitliche Spekulationen im Rahmen der biblischen Studien zu betreiben. Einer der daran Interessierten war der lutherische Theologe Matthias Hafenreffer (1651-1619).
Oben sehen wir eine eigenhändige Zeichnung Hafenreffers, bei der ihm der junge Johann Valentin Andreae (1586-1654) und Heinrich Schickhardt (1558-1635) zur Hand gingen, die später beide das Himmlische Jerusalem in ihre literarischen bzw. baulichen Entwürfe mit einbezogen. Hier haben wir die gemeinsame Wurzel ihrer Staats- und Architekturutopie vor uns. Es handelt sich um ein Detail des Frontispizes zu der Schrift „Templum Ezechielis“ aus dem Jahre 1613. In der Vignette oberhalb des Mittelfeldes ist eine schematische Darstellung der Gottesstadt als Nachbild des Tempels zu Jerusalem angebracht, in dieser Darstellungsweise bald kopiert von Matthäus Meyfart. Betonung finden die zwölf Felder oder zwölf Stadtteile, die dadurch entstehen, dass geradlinige Hauptstraßen von Tor zu Tor die Stadt wie auf einem Raster gliedern. Das Kunstwerk ist zwar einfach, aber durchaus eigenständig und originell. Die Darstellung als eine Art Stadtplan aus der Vogelperspektive findet sich hier erstmals im Kontext des Himmlischen Jerusalem und sollte später noch mehrfach wiederholt werden, bis zu Beispielen der modernen Kunst.

Christoph Neeb: Christlicher Haß wider die Welt. Philosophie und Staatstheorie des Johann Valentin Andreae (1586-1654), Frankfurt 1999. 

 

tags: Johann Valentin Andreae, Pietismus, Württemberg, Kupferstich, Renaissance
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