Lies Ebinger (1926-2020): Keramik der evangelischen Kirche von Oestrich-Winkel (1987)
Die evangelische Kirche von Oestrich-Winkel (Rheingau) war viele Jahre lediglich mit einem schmalen, schwarzen Metallkreuz am Altar geschmückt. Diese für die 1960er Jahre typische Gestaltung wurde jedoch bald als unerträglich trostlos empfunden und der horror vacui ließ die Gemeinde ein Altarbild aus Keramik anbringen. Eine Keramik ist aufgrund der glänzenden Oberfläche nach dem Brand besonders geeignet, das Strahlen der göttlichen Stadt zum Ausdruck zu bringen. Gelbe Kornähren und grüne Weintrauben verweisen auf das Abendmahl. Dazwischen befindet sich eine Ansammlung von rötlichen Bauten, die für das Himmlische Jerusalem als Stadt auf dem Berg stehen, darunter ein Verweis auf Johannesoffenbarung Kap. 21, Vers 3-4: „Siehe, die Stätte Gottes bei den Menschen (…)“. Ebinger weiß zu ergänzen (2004): „Die Idee zu dem Werk ist im Konfirmandenunterricht entstanden, wo mir eine Skizze gefallen hat. Bei der weiteren Bearbeitung der Schablone war mir wichtig, die Stadt ganz ohne Mauern zu zeigen – mit der Weintraube links sieht es vielleicht aus wie eine Stadt am Rhein? Dann spielt der Vers „Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein“ eine Rolle. Jerusalem ist so eine erhöhte Stadt, sie wurde daher auf einen Felsblock gesetzt. Es ist natürlich auch übertragen zu verstehen: eine Erhöhung versteht sich im Geiste, es sind innere Wahrheiten, die in den äußeren Bildern sprechen“. Links vor der Stadt ist ein Engel zu entdecken. Mit der farbenfrohen, in der Farbe und Form (nicht in den Proportionen) naturalistischen Ausarbeitung wurde 1987 Lies Ebinger aus Bad Ems beauftragt. Ebinger, geboren 1926 und verstorben 2020, absolvierte eine künstlerische Ausbildung an der Werkkunstschule Offenbach und führte ab 1960 mit ihrem Mann eine Werkstatt für Baukeramik. Beide spezialisierten sich vor allem auf keramische Wandgestaltungen. Seit 1984 arbeitete Lies Ebinger mit Friedensreich Hundertwasser (1928-2000) zusammen, dessen Einfluss man auch in der Arbeit in Oestrich-Winkel erkennen kann, wie auch ähnliche Keramiken von Guy de Sauvage (1953) und Max van der Linden (1965), deren Arbeiten ebenfalls das Neue Jerusalem zum Thema hatten.
25 Jahre Baukeramik: Lies und Heinz Ebinger, Bad Ems, Beuron 1987.
Johannes Hoeltz: Kirche der Freiheit – eine Kirchenerkundung, in: Festschrift der Evangelischen Kirchengemeinde Oestrich-Winkel, o.O. (2007), S. 18-23.