Grafiker Brooks, Stecher Abraham: John Bunyans Pilgrim‘s Progress, Ausgabe 1822
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfuhr der Erfolgsroman „Pilgrim’s Progress“ eine neue Welle der Beliebtheit, fast jährlich erschienen in England und in den USA Neuauflagen, Nachdrucke, Spezialausgaben, Übersetzungen. Eine sogar dreiteilige, umfangreiche Edition kam in Plymouth 1822 auf den Markt. Diese Plymouth-Ausgabe verwendet Abbildungen mit dem Neuen Jerusalem, die, laut Beischrift, bereits zwei Jahre zuvor (1820) entstanden sein sollen, wobei offen bleibt, ob sie speziell in Vorbereitung für diese Ausgabe in Auftrag gegeben wurden.
Das Frontispiz von Band 1 zeigt den schlafenden Pilger, wie er sich in das Neue Jerusalem träumt. Diese Abbildung ist im Aufbau eine Kopie der Urfassung zu diesem Roman, wie sie schon im 17. Jahrhundert zu finden ist. Die Art der Darstellung und die weiche Linienführung zeigen an, dass diese Grafik durchaus zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden sein dürfte. Über der Figur oben links befindet sich ein rundbogiges Tor mit angrenzender Stadtmauer, die sich über einen Hügel zieht. Ungewöhnlich ist das Auge Gottes direkt über dem offenstehenden Tor, es kam vermutlich über eine Tugendallegorie (1684) in den Kontext des Neuen Jerusalem. Ebenfalls ungewöhnlich sind die zuckerhutartigen Hügel, wie man sie in der Gegend um Zittau finden kann. Geschickt wird dabei das Rundbogentor in einen Dreiklang mit den übrigen Hügeln mit einbezogen.
In dem dritten Band befindet sich am Ende (unpaginiert) eine weitere Darstellung des Himmlischen Jerusalem. Der hier wiedergegebene Ausschnitt ist auch auf dem Original nicht viel größer. Der Grafiker dieser Miniatur hieß Brooks, gefertigt wurde sein Entwurf von einem Stecher mit Namen Abraham. Thema ist „Christian and Hopeful Cross the River of Death“, also etwa „Christian und sein Begleiter Hoffnung überqueren den Todesfluss“. Dieser Fluss ist jedoch nicht dargestellt, sondern zwei Engel, die martialisch die Schwerter kreuzen. Weitere Engelsköpfe erscheinen zwischen den Wolken darüber. Noch weiter oben schwebt eine Architektur, die man ohne Vorwissen kaum als Neues Jerusalem erkennen würde: Drei blockartige Architekturteile eines Wohnhauses besitzen Dachformationen, die Brooks perspektivisch überforderten. Im Hintergrund erscheinen vertikale Schatten: Handelt es sich um den Zionsberg, um Kirchtürme, Wohnbauten oder ist diese letzte Miniatur der Plymouth-Ausgabe schlichtweg unvollendet geblieben? Nach anderer Meinung stammen die Dachformationen von der Ausgabe 1805 und wurden bereits in der Ausgabe 1808 erstmals stilisiert und vereinfacht.
Claus Bernet: ‚The Pilgrim’s Progress‘ von John Bunyan, Norderstedt 2015 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 24).