J. F. Gernhardt war ein Illustrator der US-amerikanischen Adventisten, der im 20. Jahrhundert zahlreiche Bücher und Zeitschriften seiner Glaubensgemeinschaft mit Darstellungen des Neuen Jerusalem bereicherte. Viele seiner Illustrationen sind von fernöstlicher Architektur und Atmosphäre geprägt. Im Gegensatz zu den Illustrationen seiner Kollegen sind die Werke Gernhardts meist signiert. Über den Künstler ist wenig bekannt. Vermutlich handelt es sich um einen deutschen Auswanderer, der in den USA Theologie studierte und als „Minister of Divinity“ promovierte. Die Zahl und die Qualität seiner Illustrationen lässt darauf schließen, dass er hauptberuflich als Künstler tätig war.
Eine frühe Abbildung erschien 1924 in „On the Eve of Armageddon“, die der Adventist Carlyle Boynton Haynes bei der „Review and Herald Publishing Association“ in Washington herausbrachte. Das Bild auf Seite 115 zeigt die endzeitliche Schlacht vor dem Panorama des Himmlischen Jerusalem, ganz ähnlich wie in „Der Welt Hoffnung“ (1919). Die Zeichnung wurde durch diesen Band populär, ist aber wesentlich älter, da sie bereits Ende des 19. Jahrhunderts als Kunstgrafik vertrieben wurde (vgl. die Ausgabe „Signs of the Times“ vom 12. November 1896, Band 22, Nr. 44, S. 15).
1940 erschien dann eine überarbeitete Fassung von „On the Eve of Armageddon“ mit Bildern von J. F. Gernhardt. Jerusalem wird von ihm auf Seite 90 als indischer Palast (Taj Mahal) präsentiert, vor dem weiße Heilige zusammen mit Christus Tänze der Lebensreform aufzuführen scheinen. Links steht etwas abseits ein kleiner Maharadscha, der die Szenerie nicht glauben mag.
Die meisten Arbeiten von J. F. Gernhardt erschienen im „Youth’s Instructor“, einer Zeitschrift der Adventisten speziell für Jugendliche. Auch in dieser Zeitschrift beförderte die internationale politischen Lage die apokalyptische Stimmung und das Bild einer heilen Gegenwelt; die des Neuen Jerusalem. Jerusalems-Bilder lassen sich in dieser Zeitschrift in den späten 1930er Jahren vermehrt finden. Die Ausgabe Band 84, Heft 44, Seite 4 zeigt Jesus vor einer Villa. Diese Zeichnung wurde später noch oft abgedruckt, wobei die Stadt im Hintergrund mitunter auch retuschiert wurde (so in „Advent Review and Sabbath Herald“, 1950, Band 77, Nr. 28, S. 12).
Dieses ist vielleicht die anspruchsvollste Arbeit Gernhardts zu dem Thema: Mehrere Engel umfliegen eine quadratische Stadt, aus deren Mitte sich ein orientalisch anmutender Tempel erhebt. Er ist von einem ersten Strahlenkranz umzogen. Straßen führen von den zwölf Toren in die Mitte und erwecken den Eindruck eines zusätzlichen (zweiten) Strahlenkranzes. Die Zeichnung findet sich erstmals auf Seite 8 des „Youth’s Instructor“ von 1937, Band 85, Heft 36.
Im Jahr 1940 erschien eine Zeichnung von J. F. Gernhardt, die an eine Arbeit des Künstlers von 1936 anlehnte. Auch dieses Mal wurde sie in der US-amerikanischen Zeitschrift „Youth’s Instructor“ abgedruckt, in Band 88, Heft 5 auf Seite 5. Auf dem einfarbigen Original ist von dem Himmlischen Jerusalem oben links kaum mehr als der Umriss zu erkennen. Vielleicht, weil sich auch die Szene im Vordergrund bereits in der ewigen Stadt abspielt, die damit eigentlich zweifach erscheint.
Diese indisch anmutende Himmelspforte illustriert einen Artikel der adventistischen Zeitschrift „Signs of the Times“, die in de USA herausgegeben wurde. Die Abbildung erschien am 23.11.1948 in Band 75, Nr. 46, Seite 9. Sie zeigt eine große Schar Pilger, die Palmwedel hochhalten und in Richtung eines Tores strömen. Die Thematik ist wahrlich nicht neu (vergleiche die Arbeit von 1635, um Jacques Callot). Dieses Tor sieht wie ein gedrungener Triumphbogen aus, mit gedrehten Doppelsäulen und einem Kapitell. An einer Seite des Tores zieht sich eine Mauer wie am Taj Mahal entlang. Vor und hinter der Mauer deutet üppiger Bewuchs auf eine Paradieslandschaft.
Claus Bernet: Das Himmlische Jerusalem bei Adventisten, Norderstedt 2014 (Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, 20).