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Anton Koberger: Deutsche Bibel (1483)

Lange Zeit glaubte man, dass Albrecht Dürer der erste gewesen sei, der das Verschließen Satans für tausend Jahre und das Niederkommen des Neuen Jerusalem in einem Bild vereinigt hat. Dies trifft jedoch nicht zu, Dürer war lediglich derjenige, der die bildliche Verknüpfung von Offenbarung Kapitel 20 und Kapitel 21 in einem Bild populär machte. Nur wenige Jahre vor Dürers Apokalypsezyklus war 1483 eine deutschsprachige Bibelübersetzung herausgebracht worden, unter dem Titel: „Diß durchleuchtigist werck der gantzen heyligen geschrifft. genant dy bibel für all and[ers] vorgetrücket teutsch bible“. Dieses bemerkenswerte zweibändige Werk wurde von Anton Koberger in Nürnberg herausgebracht.
Anton Koberger (geboren um 1440; auch: Koburger, Coberger, Coburger) war übrigens der Taufpate von Albrecht Dürer; später sollte er auch Werke Dürers verlegen, wie ausgerechnet seine künstlerisch hochwertige Apokalypse aus dem Jahr 1498. Über Kobergers frühen Bildungsweg und beruflichen Werdegang können keine sicheren Angaben gemacht werden, wir wissen allein, dass er aus einer örtlichen Bäckerfamilie stammt. Erstmals im Jahr 1464 wird er im Bürgerbuch der Stadt Nürnberg angeführt. Anton Koberger war zwei Mal verheiratet: 1470 mit Ursula Ingram (gest. 1491) und anschließend mit Margarete Holzschuher aus einem Nürnberger Patriziergeschlecht. 25 Kinder sind aus diesen beiden Ehen hervorgegangen, von denen aber nur dreizehn den Vater überlebten.
1470 gründete Anton Koberger seine eigene Druckerei und führte auch zwei Papiermühlen. Sein schnell wachsendes Unternehmen soll es allmählich auf 24 Druckstöcke gebracht haben, an denen gut hundert Gesellen beschäftigt waren. Bis 1500 wurden hier 250 Bücher hergestellt. Solch ein Unternehmen konnte sich nur mit Aufträgen weit über Nürnberg hinaus finanzieren. Koberger tauschte Druckserien und Bebilderungen mit anderen Unternehmen, unterhielt reisende Agenten und Buchführer und gründete Filialen in Venedig, Mailand, Paris, Lyon und Wien.
Durch hohe Auflagen gängiger Schriften und durch eine Vereinheitlichung von Schrift und Satz gelang es, die Herstellungskosten zu senken. 1488 wurde der Unternehmer in den Großen Rat seiner Heimatstadt berufen. Ab den 1490er Jahren betätigte sich Koberger auch als Verleger und war in seinen letzten Lebensjahren hauptsächlich Buchhändler. Er gilt auch als Erfinder des heutigen Verlagseinbands: Neben seinem Konkurrenten Peter Schöffer war Koberger einer der ersten Verleger, die für kostspielige Werke Einbände in Kleinserie fertigen ließ als frühes Beispiel einer corporate identity. Diese Neuerung konnte sich aber zunächst nicht durchsetzen, da einerseits das unternehmerische Risiko zu groß war und andrerseits sich mittels kostbarer Einzeleinbände ein höheres Prestige vermitteln ließ. Anton Koberger verstarb am 3. Oktober 1513. Er wurde feierlich in dem städtischen Dominikanerkloster beigesetzt. Seine Nachfolger waren unternehmerisch weniger erfolgreich: 1526 wurde die Buchdruckerei Kolberger geschlossen und sechs Jahre später der Sortimentsbuchhandel eingestellt.
Das Druck- und Verlagsprogramm der Nürnberger Firma war breit und inhaltlich vielseitig angelegt, darunter waren ein Arzneibuch, ein zweibändiges Heiligenleben, eine Schwäbische Chronik und Hartmann Schedels Weltchronik mit Holzschnitten von Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff. Anton Koberger druckte historische Werke, aber brachte vor allem lateinische Schriften theologischen, philosophischen, kanonischen und juristischen Inhalts in den Druck, was vorwiegend Geistliche in Auftrag gaben, darunter beispielsweise den legendären Hexenhammer. Ein besonderer Schwerpunkt waren verschiedene Bibelausgaben, unter denen die in deutscher Sprache wie die „Diß durchleuchtigist werck der gantzen heyligen geschrifft. genant dy bibel für all and[ers] vorgetrücket teutsch bible“ jedoch eine Minderheit ausmachten. Diese Ausgabe, die auch Koberger-Bibel oder Koburger-Bibel genannt wird, gilt als eines von Kobergers wichtigsten Druckwerken. Sie wurde in einer Vorform der Schwabacher Schrift gedruckt und mit den Holzschnitten der Kölner niederdeutschen Bibel geschmückt. In dem umfangreichen, nicht paginiertem Werk ist es die letzte Abbildung, die das Neue Jerusalem präsentiert (hier nach einer Ausgabe aus der Diözesanbibliothek des Erzbistums München und Freising, Leihgabe an die Bayerische Staatsbibliothek München, BSB, Signatur: B-490).
Zahlreiche Kapitel aus der Apokalypse sind hier in einem Bild vereint: Ganz links die Zerstörung der Städte durch Erdbeben, daneben die Hure Babylon. In der Mitte wirft ein Engel Mühlsteine auf die Schöpfung, und neben einem der Steine wird gerade der Teufel auf tausend Jahre weggesperrt. Darüber, ganz oben rechts im Zwickel, erscheint das Neue Jerusalem, reduziert auf zwei doppelstöckige Baukörper, unten durch ein blaues Wolkenband und oben durch rote Dachschindeln eingefasst. Diese Darstellung korrespondiert mit dem Engel im linken Zwickel, der ebenfalls durch ein blaues Wolkenband nach unten abgegrenzt ist. Die Darstellungsweise ist einfach und an Blockbücher angelehnt, auch auf Wandfresken konnte das Neue Jerusalem so aussehen (siehe Leveste). Sicherlich waren an diesen Abbildungen mehrere Künstler beteiligt, einige waren auf Figuren spezialisiert, andere auf Landschaften und wieder andere waren allein für die Kolorierung mit einigen wenigen Grundfarben verantwortlich, die aus Zeitgründen überwiegend flächig aufgetragen wurden.

Oskar Hase: Die Koberger. Buchhändler-Familie zu Nürnberg, Leipzig 1869.
Uwe Kahl: Kostbarkeiten aus dem Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek Zittau. Der erste Band der Koberger-Bibel aus dem Jahre 1483, in: Bibliotheksjournal der Christian-Weise-Bibliothek Zittau, 17, 2001, S. 25-29.
Franz Simmler: Zum Verhältnis von Drucken und ihren Abschriften in der deutschsprachigen Bibeltradition der Inkunabelzeit. Die Abschriften der Zainer- und Koberger-Bibel, in: Daphnis, 36, 1/2, 2007, S. 67-109.

 

Beitragsbild: https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0002/bsb00025544/images/index.html?seite=1174&fip=193.174.98.30

tags: Bibelausgabe, Miniatur, Blockbibel, Spätmittelalter, Blockbuch
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