Jakob Böhme (1575-1624) lebte in seiner Heimatstadt Görlitz, wo er mehrmals mystische Visionen gehabt haben will. Sein Erstlingswerk „Die Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens“ erschien 1619, und bald war Böhme als „Teutonicus Philosophus“ bekannt, geriet aber als pantheistischer Theosoph in Schwierigkeiten mit der lutherischen Geistlichkeit. Obwohl er viele Werke verfasste, hatte er nie eine Universität besucht, was für seine Originalität sicher ein Vorteil, für die Struktur seines Denkens aber vielleicht eher ein Nachteil war. Wie übrigens auch andere Mystiker arbeitete Böhme als einfacher Schuhmacher.
Eine technisch hervorragende Abbildung findet sich in der Schrift „De Signatura Rerum“, die Böhme in kurzer Zeit im Februar 1622 zusammengeschustert hatte. Die betreffende Ausgabe wurde posthum 1682 in Amsterdam gedruckt und der Stich dem Band als separates Blatt vorangestellt, das nachträglich eingeklebt wurde. So ist es gut möglich, dass dieser Kupferstich aus einer anderen Stadt nach Amsterdam geliefert wurde. Als Urheber kommt nur jemand in Frage, der die Werke Böhmes inhaltlich gut kannte, und das könnte Abraham von Franckenberg (1593-1652) gewesen sein. Interessant ist die kosmologische Erscheinung über dem an sich unspektakulär gestalteten Himmlischen Jerusalem: Hier wiederholt sich die Stadt in ihrer Abstraktion als kubischer Körper, eingebunden in den Zodiak. Dieser Kubus symbolisiert auch das Motiv „Auge Gottes im Dreieck“, das bei Böhme als Grundfigur seines Denkens in vielfältiger Gestalt wiederkehrt.
Böhme war mit vielem, was er sich angelesen hatte, überfordert. Seine Ausführungen sind widersprüchlich und wiederholen sich häufig. Dem Kupferstich ist eine „Erklärung“ beigegeben, die jedoch mehr Verwirrung als Erkenntnis stiftet. Eine Kostprobe: „Ein einziger Character ist nur, damit sich die Gottheit abgebildet und mit demselben auch alle Creatur bezeichnet, daß seine Gegenwart in allem sey, und doch eine jede Creatur ihr besonder Zeichen, Figur und Gestalt habe, damit sie als ein besonderes Wunder des himmlischen oder irdischen Mysterii erscheine. Das ist das + in seiner Sphaera und Mercurialischem Rade der Natur, das dadurch alle 3. Principia gehet, um im Dritten auch alle Reiche der Mineralien Vegetabilien und Animalien durch Himmel und Erden. Wovon dem Nachforscher Göttlicher Geheimnüß die Wunder-tieffe gezeiget wird“. In diesem Ton geht es weiter und weiter. Durch diese Zeilen gewinnt man einen guten Eindruck, wie Böhme es seinem Leser überlässt, den „Sinn“ seiner Worte zu erforschen.
In dem Buch wird inhaltlich auf den Kupferstich an keiner Stelle Bezug genommen. In der Ausgabe 1735 wurde der für den Inhalt des Buches unpassende Stich ganz weggelassen, ebenso wie bei Band vier der Werkausgabe von 1842; er taucht aber wieder in der Faksimile-Ausgabe von Will-Erich Peuckert auf (1957) und hat von dort aus seine weitere Verbreitung erfahren.
Frank Ferstl: Jacob Boehme – der erste deutsche Philosoph. Eine Einleitung in die Philosophie des Philosophus Teutonicus, Berlin 2001.
Maximilian Bergengruen: Das Unsichtbare in der Schrift. Zur magischen Texttheorie des Paracelsismus, in: Johannes Endres, Barbara Wittmann, Gerhard Wolf (Hrsg.): Ikonologie des Zwischenraums. Der Schleier als Medium und Metapher, München 2005, S. 149-164.