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Anonym: Spirituelle Labyrinthe aus Russland (18. Jh.)

Das Motiv des spirituellen Labyrinths ist alt und lässt sich bis in die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurückverfolgen. Der Ausgang aus dem Labyrinth war immer Erlösung und Befreiung, bzw. im christlichen Kontext das Himmlische Jerusalem. Ein eigenständiger Typus des „Spirituellen Labyrinths“ hatte sich im 18. Jahrhundert in Russland herausgebildet, der noch kaum erforscht ist. Es sind keine Ikonen, da die Bilder nicht geweiht wurden und ihr Zweck eher dekorativ ist, Emblemen nicht unähnlich.

Das erste Beispiele zeigt ein gewaltiges Labyrinth, welches tatsächlich funktioniert. Im Zentrum des Labyrinths findet man aber nichts anderes als den Tod. Über ihm verweist noch einmal die Lebenstreppe darauf, dass hier auch ein Pilgerweg thematisiert ist, der mit Geburt beginnt und mit dem Tod endet. Das Himmlische Jerusalem befindet sich über dem Labyrinth als quadratische Stadt, mit drei Toren an jeder Seite und dem Gotteslamm in der Mitte. Bis auf eine Zeile von Bauten im unteren Bereich ist das Stadtinnere ansonsten leeren belassen. Irdische Bauten rahmen die Gottesstadt aus kompositorischen Gründen. Das Gemälde befindet sich im Kloster Neu-Jerusalem in Istra im Westen der Oblast Moskau und hat die Größe 80 x 57 Zentimeter.

 

Eine alternative Darstellung, ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert, befindet sich im Museum der Geschichte der Religion in St. Petersburg. Elf Ausgänge führen direkt in die Hölle, aber nur ein einziger nach oben zu dem offenen Tor der Himmelsstadt. Diese ist hier in einem ebensolchen feurigen Rot gehalten wie die Hölle unter dem Labyrinth. Auch dieses Werk ist mit 54 x 44 Zentimeter eher kleinformatig.

 

Später, im 19. Jahrhundert, konnte das Himmlische Jerusalem auch als das eigentliche Ziel in die Mitte eines Labyrinths gesetzt werden. Das ist der Fall auf einer Lithographie aus der Sammlung D. Rovinsky, Nr. 765 des Puschkin-Museums für Bildende Künste in Moskau. In der Mitte wurde dazu ein Oktogon freigelassen, in welches die grün-rot kolorierte Stadt mit drei Toren an jeder Seite gesetzt wurde. Die drei ersten der konzentrischen Umführungen sind mit einem dunkleren Gelbton hervorgehoben; in der Mitte des Labyrinths steht hier eine Taube für den Heiligen Geist.

Oleg Tarasov: Ikona i blagoestie. Oerki ikonnogo dela v imperatorskoj Rossii, Moskva 1995.
Eileen London, Belinda Recio: Sacred rituals, Gloucester 2004.
Nancy Ann Bandiera: The medieval labyrinth ritual and performance, Austin 2006.
Claus Bernet: Heavenly Jerusalem and the labyrinth, in: Caerdroia. The journal of mazes and labyrinths, 44, 2015, S. 40-43.

 

tags: Labyrinth, Russland, Istra, Emblem, Emblematik, Puschkin-Museum, Moskau, Taube
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